Review: „ONE BAD DAY – CLAYFACE“

Vorhang auf für Basil Karlo! Der erfolglose Schauspieler und Kriminelle ist nach Los Angeles gegangen, um dort erneut die Bühnen zu erobern und hoffentlich nicht mehr zu morden.

Enthaltene Titel:
Batman – One Bad Day: Clayface

Autor*in: Collin Kelly & Jackson Lanzing
Künstler*in: Xermanico

Verlag: Panini
Seiten: ca. 76
Hardcover: 18,00 €
Variantcover: 23,00 €
Status: abgeschlossene Einzelgeschichte

Erschienen am 22.08.2023

©Panini Comics Deutschland

Die ONE BAD DAY-Reihe bewegt sich nun auf ihrer Zielgeraden und stellt uns Clayface alias Basil Karlo vor. Dafür hat uns Panini Comics Deutschland wieder ein Rezensionsexemplar zukommen lassen, das wir natürlich liebend gern etwas genauer beschaut haben. Vielen herzlichen Dank dafür!

Zugegebenermaßen muss man dieser Reihe nach ihrem fragwürdigen Start mit dem Riddler und dem mittelprächtigen Part mit Two-Face, durch die Geschichten um den Pinguin, Mr. Freeze und Bane eine gleichbleibend hohe Qualität zusprechen. Manch einer behauptet sogar, die Story um Catwoman auf seinem „Wiederlese-Stapel“ gelegt zu haben. I doubt it! Wie dem auch sei: ONE BAD DAY – CLAYFACE kann mich tatsächlich auch wieder richtig zufrieden stimmen.

DIE FLUCHT NACH VORN

Direkt zu Beginn des Sammelbandes fällt positiv auf, dass keine Origin im klassischen Sinne erzählt wird. Die interessierte Leserschaft bekommt also weder erklärt, wie Basil Karlo zu seinen Lehmkräften gekommen ist, noch was diese genau beinhalten. Stattdessen bekommt man seine Fähigkeiten kommentarlos gezeigt und es wird auf eine Collage an Expositionen seiner Vergangenheit verzichtet. Das ist ein cleverer Move, weil ich schon auf den ersten Seiten ganz nah an der Figur im Hier und Jetzt sein kann. Zudem sind die Fähigkeiten von Clayface auch schnell zusammengefasst: Er besteht aus Lehm, kann sich dadurch verflüssigen und die Gestalt nach Belieben anpassen. Lediglich in Stresssituationen kann er diese Fassade nicht immer aufrechterhalten, was zu unbeabsichtigten Deformationen führen kann.

„THE KILLING JOKE,
Szene 31,
Take 1,
Common Mark!
Und

Action.“

Auf den ersten Seiten lerne ich auch seine Freundschaften etwas kennen, den routinierten Arbeitsalltag, sowie seine Ängste und Wünsche. Vor allem Wünsche hat der gebeutelte Lehm-Mann einen ganzen Eimer voll. Da sich Clayface in Gotham jedwede schauspielerische Zukunft verbaut hat, versucht er in Los Angeles, unter seinem fantasielosen neuen Namen Clay, einen seriösen Neuanfang. Unauffällig lebt er dort, geht einem Kellnerjob nach und übt fleißig für das nächste Schauspiel-Casting. Die nächste große Rolle soll – nein – muss es werden! Diese soll der Durchbruch sein, der Beginn seiner Vision und endlich Anerkennung für all sein Schaffen, abseits seiner kriminellen Vergangenheit.

„Dieser Ort hat mich verdient.
Erkennst du das nicht?“

Bis hierhin liest sich das Ganze auch sehr angenehm und ich habe ihm sogar viel Erfolg auf der Suche nach einer besseren Zukunft gewünscht. Doch leider kommt es wie es kommen muss und Clayface wird Opfer seines eigenen Größenwahns und seiner niedrigen Frustrationstoleranz. Hilflos muss man einer Eskalationsstufe nach der anderen beiwohnen und verliert zusehends das Mitgefühl zu diesem dramatischen Charakter.

©DC Comics

SYSTEM- UND BRANCHENKRITIK INKLUSIVE

Neben der vermeintlichen Schwäche, dass ONE BAD DAY – CLAYFACE dem Charakter nichts Neues hinzufügen würde, da die erzählerischen Mechanismen der von Enttäuschung zerfressenen Figur in der Filmbranche lediglich erneut rezitiert werden, liegt darin eben auch die größte Stärke dieses Sammelbandes.

Es wird mehr als einmal, eigentlich durchgängig, Kritik an dem bestehenden System der Filmindustrie ausgesprochen. Eine Maschinerie, die mehr Opfer als Stars hervorbringt und sich dafür auch noch feiern möchte. Es geht um Geld, um den Mainstream und eben nicht um die Vision und die Wünsche einzelner Personenkreise. Was sich verkauft, wird produziert. Idealisten sind dabei nicht gern gesehen und werden schnell wieder ausgespuckt. Oder wie es in dieser Geschichte sinnbildlich passiert – verschluckt und nie wieder gesehen.

„Hier gibt’s eine Hierarchie,
eine ganz klare Rangfolge,
und sie scheinen ihren Platz darin nicht zu verstehen.“

Die Dramatik von Clayface speist sich auch aus der Tatsache, dass er im Grunde lediglich das andere Extrem der vorherrschenden Industriestrategie ist. Denn auch er fordert selbstverständlich Opfer für sein selbst festgelegtes, höheres Ziel. Dabei erkennt er nicht, wie er andere Vorstellungen übergeht und sich immer tiefer in diese Abwärtsspirale begibt, die er eigentlich verlassen wollte. Hier entspinnt sich bei genauerer Betrachtung eine kontrastreiche Dialektik, die förmlich dazu einlädt, diskutiert zu werden.

FAZIT: ES GIBT NUR SCHLECHTE TAGE

Dieser Sammelband enthält zur Figur nichts wesentlich Neues, sondern verlässt sich gekonnt auf die Schwerpunkte des Lehmmonsters: Gefangen im Netz einer Branche, in der die Schwachen von den Starken gefressen werden. Da verwundert es auch nicht, dass nach dem kleinen Finale noch einmal ein Epilog geschrieben wurde, der zusätzlich die emotionalen Aspekte unterstreichen soll. Denn in dieser Branche und speziell in dieser Geschichte scheint es nur Verlierer geben zu können. Also hilft nur ein Hollywood-Lächeln, um überhaupt eine Chance zu bekommen, bei dem Zirkus mitmachen zu können.

„Geld, Talent, Glück,
du brauchst eins für den Start
und zwei für ’ne Chance.“

Das klare Artwork von Xermanico spielt seine größten Stärken mit den Verwandlungen von Clayface aus. Es sieht einfach unheimlich beeindruckend aus, wie sich Gesichtszüge oder ganze Splashpages in groteske Formenkämpfe winden. Die von Romulo Fajardo Jr. farblich gestalteten Hintergründe sind zudem in Panoramabildern wahre Aquarell-Erotik. Wenn dann auch noch Batman dazu kommt, verändert sich schlagartig die Perspektive auf das Geschehen und dieser Comic wird zu einem vollumfänglich stimmigen Erlebnis abgerundet.

BEWERTUNG: Visual Noise

Viel gibt es nicht zu kritisieren. Aus meiner Sicht passt hier das äußere Erscheinungsbild hervorragend zum Inhalt. Ganz anders als bei Clayface sozusagen. Es könnte Personen geben, die sich zu Beginn an den Panels stören, die aus der Egoperspektive von Karlo viel und schnell Informationen vermitteln sollen. Durch die bruchstückhafte Darstellung wird es kurz mal unübersichtlich. Diese ersten Eindrücke muss man erstmal für sich selbst einordnen, bevor der Comic den nötigen Gesamtkontext liefert.

Dann wäre aber noch die Tatsache anzumerken, dass die Figur Clayface genauso präsentiert wird, wie sie auch klassisch geschaffen wurde. Es fühlt sich wie ein gelungenes Remake an. Die großen Überraschungen bleiben aus. Und trotzdem bleibt die Schwere der Handlung aktuell und spannend. Die vergangenen Streiks der Schauspielenden in Hollywood kritisierten lautstark und medienwirksam die Zustände der Industrie. Und wer weiß … vielleicht befand sich auch Basil Karlo unter den Demonstrierenden, mit der Hoffnung auf Anerkennung seiner Arbeit?

Von mir also aus genannten Gründen und für die unübersichtliche Einstreuung von einzelnen Textpassagen, die erst bei mehrmaligen Lesen ihre Sinnhaftigkeit unter Beweis stellen können, lediglich einen halben Bat-Head Abzug. Ansonsten könnte ich mir durchaus eine Verfilmung dieses Stoffes vorstellen. Bis dahin könnt ihr bei eurem Comicladen des Vertrauens oder direkt bei Panini Comics Deutschland den vorletzten und gelungenen Ableger der ONE BAD DAY-Reihe erwerben.


4 ½ von 5 Bat-Heads

BEWERTUNG: Marian

Da mein Vorredner dieses Mal ganz offensichtlich keinen Lehm auf den Augen hatte, kann ich direkt zur Bewertung von „Batman – One Bad Day: Clayface” kommen.

Ach ja, was für eine großartige Geschichte. Collin Kelly & Jackson Lanzing zeigen hier in Reinform, wie man sich kreativ einer Vorgabe annimmt und sie zu einer eigenen Geschichte werden lässt. Noch dazu findet man gerade als Fan der Animated Series hier seinen Clayface wieder und bekommt eine wunderbare „Was wurde eigentlich aus?”-Geschichte dieses Charakters.

Einen kleinen Punkteabzug gibt es aber dafür, dass man nichts sonderlich Neues über Basil Karlo lernt. Hingegen erfährt das One Bad Day-Konzept über das Heft hinweg und insbesondere nochmal im letzten Drittel eine tolle Würdigung, ohne dass die Autoren ihre eigene Geschichte, den Protagonisten Clayface oder den nur kurz auftretenden Batman verraten. Zudem wird hier eine interessante Subeebene eröffnet, die zwar nicht sehr subtil, dafür aber ziemlich treffsicher präsentiert wird.

Xermánico und Romulo Fajardo Jr. setzen das ganze mehr als gekonnt in Szene. Vor allem die Darstellung des angreifenden Clayface und besagtes letztes Drittel sind nochmal hervorzuheben. Da gibt es mehrere Panel und Seiten, die das Zurückblättern verdienen.

Was die Endwertung betrifft, bin ich noch immer ambivalent, denn hie und da fehlt es gefühlt an Fleisch; obwohl eigentlich ausreichend Storyinhalte und ebenso Interessantes auf Meta- und Subebene geboten werden. Vielleicht liegt es daran, dass die eigentliche Geschichte recht schnell erzählt ist. Aber allein der Nostalgiefaktor, die gut orchestrierte Klimax und die feinfühlige wie zeitgleich gewaltige Darstellung von Clayface und seines Innenlebens sprechen für eine wohlwollende Note.

Für Neuleser eignet sich dieses Heft wahrscheinlich nicht, für alle anderen Lehmenthusiasten gibt es eine klare Leseempfehlung.


4 ½ von 5 Bat-Heads

Hardcover©Panini Comics Deutschland

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“You wanna get nuts? Come on! Let’s get nuts!” – Bruce Wayne (1989) / Lego Batman (2017) / Batman (2023)

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