Review: „ONE BAD DAY – CATWOMAN”

Na mal schauen, was uns die Katze heute vor die Tür gelegt hat.

Enthaltene Titel:
Batman – One Bad Day: Catwoman

Autor*in: G. Willow Wilson
Künstler*in: Jamie McKelvie

Verlag: Panini
Seiten: ca. 76
Hardcover: 18,00 €
Variantcover: 23,00 €
Status: abgeschlossene Einzelgeschichte

Erschienen am 20.06.2023

©Panini Comics Deutschland

Es ist mal wieder so weit. Die ONE BAD DAY-Reihe nimmt sich einen Widersacher aus dem Batman-Kosmos und schenkt ihm eine ganz eigene, abgeschlossene Geschichte. Nachdem mich aus dieser Reihe vor allem die Storys zu dem Pinguin und Mr. Freeze richtig überzeugen konnten, hat es Catwoman nun etwas schwer, sich bei mir einzukratzen. So viel darf verraten werden: Ein Desaster wie die Riddler-Story ist dieser Band für mich definitiv nicht.

Panini Comics Deutschland hat uns freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Dabei kommt – wie bisher üblich in der Reihe – das Überformat besonders edel daher und verspricht durch das eindrucksvolle Charaktercover ein diebisches Vergnügen. Vielen herzlichen Dank dafür! Legen wir spoilerfrei doch gleich mit den ersten Seiten los.

DU! JA GENAU DU!

Schon auf den ersten Seiten dieses Comics wird die vierte Wand durchbrochen. Selina wird also nicht nur als Erzählerin einer umspannenden Geschichte dargestellt, sondern spricht die interessierte Leserschaft auch direkt an. Während sich die Hauptprotagonistin also zwischen einer Demonstration gegen das kapitalistische System und seine Symptome bewegt („Werft die Reichen raus“, „Wohnrecht ist Menschenrecht“, „Macht Gotham bezahlbar“), schaut sie mich als Leser aus dem Panel heraus an. Sie sagt mir sogar, ich solle sie nicht so ansehen.

©Panini Comics Deutschland

Ich finde derartige direkte Ansprachen an das Publikum immer etwas schwierig. Sie können die Immersion zu den Charakteren stören, da ich als Leser enttarnt und auch so behandelt werde. Diese Vorgehensweise ist aber auch häufig ein humoristisches Stilmittel, welches jedoch die Tonalität einer Geschichte auch langanhaltend beeinflusst. Da im weiteren Verlauf der Geschichte dieser Aspekt weder als Überraschungsmoment, noch als Werkzeug zur Weiterführung der Handlung benötigt wird, hätte man es lieber sein lassen sollen. Es hat mich verwirrt. In jedem weiteren Monolog habe ich darauf gewartet, dass sie mich wieder ins Boot holt. Aber es bleibt bei den inneren Monologen, wie sie Batman vergleichbar schon seit über 80 Jahren führt.

©Panini Comics Deutschland

An sich ist der Einstieg allerdings sehr gelungen. Selina als Catwoman hat den diebischen Plan, ein „verloren gegangenes“ Familienerbstück wiederzubeschaffen. Leider ist dieses Schmuckstück bei einer Auktion gelandet. Besonders trickreich muss sich die Antiheldin zwar nicht bemühen, aber so finden sich immerhin klassische Szenen wie Kostümwechsel, das Kriechen durch Luftschächte und ein Gang durch die Küche wieder. Das Objekt der Begierde birgt allerdings mehr als ein Geheimnis, das es zu ergründen gilt. Das hat alles sehr viel Retrocharme und sieht stellenweise durch die Bilder auch nett aus.

©Panini Comics Deutschland

DIE GESELLSCHAFTLICHE STELLUNG IN DER (RE)PRODUKTION

Das Durchbrechen der vierten Wand hat an dieser Stelle im Grunde nur einen Zweck. Es soll uns mitteilen, dass hier ganz nebenbei noch eine andere Geschichte erzählt werden soll: Unsere eigene Geschichte innerhalb einer kapitalistisch geführten Gesellschaft und in welcher Position wir uns darin sehen. Das funktioniert für mich eher weniger. 

„Es gibt eine Sache, die der Staat immer beschützen wird.
[…]
Es ist das Kapital.“

Wenn man allerdings darüber hinwegsehen kann, dass hier keine Aufarbeitung der bestehenden Machtverhältnisse angestrebt wird, sondern lediglich ein sozialkritischer Kommentar gesetzt werden soll, kann ich damit leben. Auch wenn sich Marian bestimmt schon die Finger nach einer Auswertung leckt, sind mir die Aussagen zum politischen Fundament und das inkonsistente Wertverständnis an dieser Stelle nicht genug. Als gestreuter Kommentar verstanden, sehe ich aber durchaus eine brauchbare Diskussionsgrundlage.

©Panini Comics Deutschland

Dennoch wird in diesen Punkten der Erzählung viel zu viel oberflächlich in einen Topf geworfen. Da geht es mal um einen Freiheitskampf; an anderer Stelle werden finanzielle und soziale Schichten thematisiert, aus denen ein egoistisches Unrechtsverständnis resultiert, um ganz zum Schluss nochmal die Wertigkeit von Familie anzusprechen. Da hätte ich mir den Fokus auf eine Kernproblematik gewünscht. Nichtsdestotrotz bleibt der sozialkritische Kommentar in einem abgeschlossenen und gelungenen Rahmen für die Handlung.

GIRLS GOTTA EAT

Die starken Einzelbilder bestechen vor allem durch die Darstellung von Catwoman beziehungsweise Selina. Die Hauptakteurin betört durch ihre makellose Schönheit. Allgemein hat der Künstler McKelvie ein unheimlich gutes ästhetisches Verständnis für feminine Gesichtszüge. Stilistisch erinnert er da häufig an die Pin-Up Darstellungen der 50er Jahre. Diese Darstellungsform wird häufig intensiv ausgespielt und kann auch der Darstellung älterer Charaktere durchaus schmeicheln. Doch die Arbeit, die er in seine Stärken investiert, geht leider bei allen anderen Dingen flöten.

„Sie haben einen exzellenten Geschmack.“

©Panini Comics Deutschland

Mit dem Einstieg und der größeren Menschengruppe der Demonstration fällt es anfänglich kaum auf. Doch McKelvies Zeichenstil ist (abgesehen von seinen Splashpages) nicht nur extrem steif, sondern sogar leblos. Das macht sich insbesondere in den Hintergründen und Umgebungen von Gotham bemerkbar. Mit ein wenig mehr Interesse für Details würde ich mich ja schon begnügen. 

Warum nicht mal eine Taube auf dem Dach, wenn dort schon doppelseitig gekämpft wird? Stell doch bitte in die nächtlichen Gassen von Gotham einen alten Kaffeebecher auf die Straße. Gib mir eine Pfütze oder wenigstens einen Mülleimer! Irgendwas möchte ich gerne sehen, dass mir sagt: Du bist in Batmans Stadt. Häufig gibt es auch einfach gar keine Hintergründe. Dann gibt es lediglich eine Farbe (ja, auch mal ohne Farbverlauf …) oder ein bisschen Rasterfolie. Das finde ich besonders schade und beißt sich mit den guten Einzeldarstellungen.

FAZIT: DIE GESCHICHTE M(i)AUSERT SICH

Durch einige Wendungen innerhalb der Geschichte und einer Romanze mit Batman als schmückendes Beiwerk, ist dieser Band durchaus lesenswert. Mir möchte der implizierte Grundsatz der Sozialkritik à la „Wir gegen die, weil wir nicht anders können.“ zwar nicht so ganz gefallen. Zumal man die vereinnahmende, direkte Ansprache an die Leserschaft leider nicht weiter verfolgt hat. Warum das Ganze als ein schlechter Tag, wenn nicht sogar der schlechteste von Catwoman behandelt wird, ist mir völlig schleierhaft.

„Ich bin nur eine alte Lady die versucht,
in einer Welt voller seltsam maskierter Leute zurechtzukommen.“

Der Autorin G. Willow Wilson ist hier im Großen und Ganzen ein solider Band innerhalb der ONE BAD DAY-Reihe gelungen, der mich ähnlich abgeholt hat wie der zu Two-Face von Mariko Tamaki. Das Artwork ist bei Catwomans Geschichte in den Kulissen stellenweise einfallslos, die Einzeldarstellungen aber richtige Hingucker … Catwomans Story ist im Vergleich zu Tamakis weniger bedrohlich, aber auch weniger vorhersehbar … Und dann gibt es da aber eben noch die sozialkritischen Bezüge der gestreuten inhaltlichen Kommentare, die wirklich ausgezeichnet zu Selinas Charakter passen. Ein für mich wechselseitiges Erlebnis, dass viele Möglichkeiten nur angerissen oder liegen gelassen hat.

BEWERTUNG: Visual Noise

ONE BAD DAY – CATWOMAN ist ein grundsolides Leseerlebnis, dem sehr viel Diskussionsmaterial zugrundeliegt und dadurch mehr Stärken aufweist als so mancher Vorgänger. Allerdings kratzen die sozialkritischen Phrasen an vielen Oberflächen, ohne ihre Ursachen oder mögliche Lösungen ergründen zu wollen. Das ist provokant und das kann man mögen. Mit der ursprünglichen ONE BAD DAY-Idee hat das für mich allerdings nichts zu tun.

Wer sich dazu noch mit einem achselfreien Lack- und Lederoutfit anfreunden kann, dass zudem noch am Hals einen Ankett-Ring besitzt, macht hier nichts verkehrt. Denn auch abseits des eher untauglichen neuen Kostüms von Catwoman, bietet dieser Comic eine eigene feminine Ästhetik. Allerdings zählt das nicht für die gesamten Panelinhalte und Hintergründe, die bleiben mir persönlich zu oft unbespielt.

Diese stimmige Abhandlung bekommt von mir dreieinhalb Bat-Heads und darf gern als Einstiegsempfehlung für Catwomans Charakter verstanden werden. Bei eurem Comicladen des Vertrauens oder direkt über Panini Comics Deutschland könnt ihr diesen Band noch kaufen.

Ach ja … ganz hinten befindet sich noch eine klein abgedruckt Sammlung von Variant-Covern. Das Cover von Jessica Fong ist phänomenal!


3 ½ von 5 Bat-Heads

BEWERTUNG: Marian

Kinderbücher müssen für den Kollegen Visual Noise eine Qual gewesen seindie vierte Wand durchbrechende Ich-Erzähler, die einen kurz nach Beginn verlassen, gibt es dort ja allerhand. Aber das ist des Katzenjammers nicht genug, nein, ganz im Sinne des Kapitals *Zwinkersmiley* fordert der Kollege auch noch von der erzählenden Protagonistin, sie solle doch gefälligst die systemischen Probleme lösen, unter denen sie (und quasi jeder, der uns hier begegnet) leidet. Karl Marx und Warren Buffett dürften gerade beide mächtig Schluckauf haben.

Nein, lasst euch nicht die Katze im Sack verkaufen! Bis auf ein paar unsaubere Stellen, ist dieser Band fast perfekt. Denn, ähnlich den besseren hier bisher besprochenen Bänden der Reihe, nähert sich One Bad DayCatwoman dem Grundkonzept an, um darauf eine eigenständige Geschichte über Verlust, Scheitern und den alltäglichen Kampf der kleinen Leute zu errichten. Denn im Gegensatz zu den illustren, aber vielmals jammernden Comicschurken, haben manche Menschen mehr One Bad Days, als den meisten von uns lieb sein dürfte. Menschen versuchen auch in diesem Band, ihre in der Gesellschaft festgelegte Position zu verlassen, nur um immer wieder festzustellen, dass Andere bestimmen, wer man ist und wie viel Wert Dinge und Menschen haben.

One Bad DayCatwoman verdeutlicht auf spielerische und ganz wunderbare Weise den Klassenkampf, der die meisten von uns betrifft und auch wie er die meisten von uns betrifft, selbst wenn wir das oft nicht wahrhaben wollen. Dabei unterlässt Autorin G. Willow Wilson von Anfang an den erhobenen Zeigefinger oder irgendwelche Moralin getränkten Dialoge. Sie lässt die Geschichte und Catwoman für sich sprechen (und installiert Batman als etwas nüchterneren Betrachter). Dabei kommen auch Catwoman-Action und Heistelemente nicht zu kurz. Ein rundum gelungenes Catwoman-Abenteuer. Das Ende fällt zwar etwas ab, aber das entwertet die Gesamtgeschichte nur wenig.

Jamie McKelvie ist sowohl für die Zeichnungen als auch für die Farben verantwortlich und das ist gut so. Denn – wie dem Kollegen Visual Noise – ist mir sein Strich an sich manchmal etwas zu schlicht; erinnerte mich teilweise sogar an einige Webtoon-Episoden. Allerdings setzt er Schatten, Licht und Farben so prägnant und stimmungsvoll ein, dass er damit so manche Detailarmut in einigen Panels wieder wettmacht. Zusätzlich gibt es manchmal richtig aufregend gestaltete Splashpages oder fast seitengroße Panel. In One Bad Day Catwoman stehen eindeutig Selina und die Geschichte im Vordergrund und das vermag McKelvie mit seinem Artwork herauszustellen und damit Wilsons Erzählung zu schmeicheln. Diese Geschichte liegt jetzt schon auf meinem Wiederlesen-Stapel.

4 ½ von 5 Bat-Heads

Variantcover©Panini Comics Deutschland

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“You wanna get nuts? Come on! Let’s get nuts!” – Bruce Wayne (1989) / Lego Batman (2017) / Batman (2023)

3 Kommentare

  1. Hes.got.issues sagt:

    Danke für eure Rezis. 2 Meinungen am Ende solltet ihr immer beibehalten. Sehr gutes Konzept

    7
  2. Alex H sagt:

    Finde ich auch. Günter Netzer und Gehard Delling der Comic Reviews. ?
    Es war wieder mal eine tolle Kritik von Euch. Bitte gerne weiter so. Wie eingangs im Discord schon erwähnt, bin ich als Einsteiger in die „One Bad Day“ Serie mit diesem Exemplar direkt warm geworden.
    Es ist eine Wirklich tolle Ausgabe.
    Auch mein Lieblings Variant-Cover ist von Jessica Fong. ?

    9
  3. Sören sagt:

    Macht auf jeden Fall Lust auf den kommenden Katzen/Fledermaus-Krieg, der uns bevor steht.

    5

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