Der Pinguin ist nicht mehr und wir dürfen ihm dabei zusehen, wie er auf den Pfaden seiner verloren gegangenen Macht nach Rache sinnt.
Enthaltene Titel:
Batman – One Bad Day: Penguin
Autor*in: John Ridley
Künstler*in: Guiseppe Camuncoli & Cam Smith
Verlag: Panini
Seiten: ca. 76
Hardcover: 18,00 €
Variantcover: 23,00 €
Status: abgeschlossene Einzelgeschichte
Erschienen am 18.04.2023
©Panini Comics Deutschland
Nach der grauenerregenden Geschichte um den Riddler, die ungenügende Ausgabe zu Two-Face geht es nun schon in die dritte Runde der Reihe ONE BAD DAY. Und nach den nicht erfüllten Erwartungen kann ich nun mit Freude behaupten, dass es Autor John Ridley gelungen ist, eine hervorragende Geschichte zu schreiben. Das macht auch wieder etwas Hoffnung auf die kommenden Ausgaben zu Mr. Freeze, Catwoman, Bane und anderen. Und das, obwohl es lediglich um die klassische Erzählung von Fall und Aufstieg eines Verbrechers geht.
DER ENTTHRONTE KÖNIG
„Pinguin. So hat mich lange keiner mehr genannt.“
Das skrupellose Schwergewicht Oswald Cobblepot alias der Pinguin hat sein Verbrecherimperium verloren. Sein ehemaliger Gehilfe Umbrella Man besitzt nun nicht nur wichtige Ressourcen, sondern hat sich auch gleich die sozialen Kontakte unter den Nagel gerissen. Völlig mittellos kehrt der gescheiterte Kriminelle zurück nach Gotham und begibt sich auf einen persönlichen Rachefeldzug. Doch schon bald wird ihm klar, dass er nicht ganz unverantwortlich für seine Lage ist. Alte Freunde haben sich abgewandt oder sogar freiwillig mit Umbrella Man kooperiert. Der Pinguin muss erkennen, dass er sich auch anderen persönlichen Konflikten stellen muss. Denn nicht alle seiner alten Partnerschaften waren mit seiner Führung zufrieden.
Soweit zur Ausgangslage dieses Comics, der uns tatsächlich den Charakter des Pinguins näher beleuchtet und uns quasi versucht all seine Facetten auch einmal zu zeigen. Wir erleben einen gebeutelten, einen feinfühlig empathischen, reumütigen menschlichen Oswald, aber auch einen knallharten, abgebrühten und skrupellosen Geschäftsmann, der ganz genau weiß, was er will und wie er es bekommt. Dieses Zusammenspiel unterschiedlichster Aspekte innerhalb der Figur ist spannend und wird durch den kompletten Band hindurch fortgeführt.
John Ridley ist es, nach der hier sehr negativ besprochenen BATMAN – SECOND SON Story und seiner Rehabilitierung durch ICH BIN BATMAN, tatsächlich gelungen mich äußerst positiv zu überraschen. Sei es der nachdenkliche Start am Fluss von Gotham, die Aufarbeitung vergangener Ereignisse oder die gelegentlichen Gewaltspitzen, Ridley vergisst dabei nie auch die Motivationen der Nebencharaktere zu beleuchten.
UMBRELLA MAN GEGEN DEN PINGUIN
Es gelingt dem Pinguin die „zierliche“ Lili wieder für sich zu gewinnen. Diese Dame ist eine hervorragende Schlägerin und enttäuschte Freundin des ehemaligen Verbrecherbosses. Die beiden bekommen auch unfreiwillige Unterstützung durch den jungen Ganovengehilfen Elliot, der des Öfteren im Metier überfordert zu sein scheint. Das bringt sogar einige humorvolle Szenen mit sich, die ich so nicht erwartet hatte. Dazu noch Frieda und ihre Streitmacht sowie der unnahbare Umbrella Man und ein blutiges Finale mit einer Gewissheit: Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist.
Während über den Umbrella Man erstmal viel gesprochen wird, bleibt er trotz seiner Darbietung in der Mitte des Bandes eher eine blasse Figur. Er ist halt böse, weil gierig und erfolgreich, weil erbarmungslos. Das ist aber auch völlig in Ordnung. Denn die interessierte Leserschaft erfährt so viel über den Pinguin und seine Gefolgschaft, dass der hier gezeigte Rivale dem Hauptakteur nur unnötig Screentime stehlen würde, wenn man ihn anders angesetzt hätte. Das, was über den Umbrella Man gezeigt wird, reicht mir völlig aus und wirkt nachvollziehbarer als so manch kruder Erklärungsversuch aus anderen Geschichten (Shame on you, King!).
Zu all den gut geschriebenen Dialogen gesellt sich dann noch die Arbeit von Giuseppe Camuncoli und Cam Smith. Die klare Darstellung wird durch zahlreiche Details unterstützt. Somit lassen sich nicht nur innerhalb der Dialoge bei erneutem Lesen einige Feinheiten mehr entdecken. Mir erging es beispielsweise mit dem hiesigen Cover so. Erst nachdem ich den schönen Comic im Überformat gefühlt zwanzig Mal in der Hand hatte, ist mir aufgefallen, dass Umbrella Man schon auf dem Cover zu sehen ist. Oder das Lili (aus Gründen) ihre Hände die ganze Zeit in den Jackentaschen hat. Solche Erkenntnisse finde ich im Nachhinein besonders wertvoll und sie attestieren dem Künstler-Duo eine wirklich gute Arbeit.
FAZIT: BIS AUF EINEN PUNKT ABSOLUT TOP
ONE BAD DAY – DER PINGUIN ist für mich ein wirklicher Genuss gewesen. Durch seine entschleunigte Erzählweise, die nicht davor zurückschreckt ihre Figuren mal in Schweigen zu hüllen und sein Tempo zielsicher zum Finale anzieht, ist dieser Comic nicht nur der bisher beste innerhalb der ONE BAD DAY-Reihe. Ich behaupte sogar, dass es im direkten Vergleich zu PINGUIN – SCHMERZ UND VORURTEIL die bessere Story ist.
„Ja, ich war ein Mistkerl.
Aber ich hab dich mit Respekt behandelt,
und keiner hat gewagt,
sich über dich lustig zu machen, wenn ich dabei war.“
Dennoch gibt es auch einen Kritikpunkt, den ich nicht unerwähnt lassen möchte. Wenn wir uns in Gotham bewegen, ist Batman so gut wie immer mit dabei. Man hätte für diesen Band irgendeinen Grund erfinden und bebildern müssen, warum das ausnahmsweise mal nicht so ist. Oder man schweigt sich dazu aus und lässt ihn lediglich am Ende in Erscheinung treten. Hier hat sich Ridley für einen unlogischen Weg entschieden.
Batman legitimiert an einer Stelle Oswalds Rachefeldzug und unterstützt durch aktive Unterlassung seine erneute Machtergreifung. Die Andeutung, es gäbe in Gotham einfach noch mehr Straftaten als üblich und diese würden die Aufmerksamkeit von Batman zu stark beanspruchen, ist im Bezug auf den dunklen Ritter doch etwas lächerlich. Niemals (!) würde Batman einen Bandenkrieg tatenlos zulassen und das dadurch entstehende Machtvakuum billigen. Schon gar nicht, wenn der Pinguin kein Unbekannter in Gotham City ist. Natürlich kann man das auf Biegen und Brechen irgendwie kaufen – ich tue das nicht.
BEWERTUNG: VISUAL NOISE
Neben einem kleinen Kritikpunkt scheint dieser Comic wie für mich gemacht. Ein tolles Erzähltempo trifft auf abwechslungsreiche Charaktere, denen auch genügend Raum für ihre Motivation zugesprochen wird. Der Fokus liegt ganz klar auf Oswald Cobblepot und genau so habe ich mir Geschichten zur ONE BAD DAY-Reihe auch vorgestellt. In sich abgeschlossen erzählt uns John Ridley eine Geschichte über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Pinguins. Meiner Meinung nach absolut lesenswert und damit mit viereinhalb Bat-Heads vollumfänglich zu empfehlen.
Dieses gelungene Werk könnt ihr immer noch bei eurem Comicladen des Vertrauens oder direkt über Panini Comics erwerben. Es lohnt sich wirklich, denn dieser Comic ist richtig gut geworden.
4 ½ von 5 Bat-Heads
ZWEITSTIMME: MARIAN
Im Vergleich zu den bisher hier besprochenen Titel nähert sich die Pinguin-Story der Idee, die ich ursprünglich von der One Bad Day-Reihe hatte, am stärksten an: Ein bisschen Origin, ein bisschen Referenz auf „The Killing Joke” und einen Einblick in den Charakter der behandelten Figur – hier eben der Pinguin.
Insgesamt bietet die Geschichte von Oscar-Preisträger Jon Ridley eine äußerst reizvolle Ausgangslage (und ich habe schon richtig Schlimmes von ihm gelesen). Ebenso interessant ist der Einsatz von Batman innerhalb der Story, auch womit die Fledermaus hier so zu tun hat. Die Dynamik der Figuren halte ich für äußerst gelungen, da sie gleichermaßen spannend wie vergnüglich geschrieben sind. Gleiches gilt für die kurzweiligen Dialoge. Allerdings vermochte mich der Abschluss nicht so ganz zu überzeugen, denn das, was Ridley hier zuvor stimmungsvoll aufbaut, kommt mir dann irgendwie viel zu plötzlich zu einem 08/15-Ende. Das schmälert aber den schönen Aufbau zuvor nicht und auch nicht das äußerst stimmige Artwork von Camuncoli und Smith. Aber man muss im letzten Drittel Abstriche im Writing in Kauf nehmen, damit die Geschichte noch zu einem runden und schnellen Ende gebracht werden kann. Das ist hinnehmbar, aber nicht sehr galant.
Die angebliche charakterliche Tiefe, die den Kollegen Visual Noise hier so unangemessen frohlocken lässt, dass sich die Nachbarn auf der Straße schon peinlich berührt wegdrehen, vermag ich in dem Ganzen zwar nicht zu sehen, aber unterhaltsam ist die Geschichte allemal.
Für jeden Pinguin-Fan gibt es auf jeden Fall eine Leseempfehlung.
3,5 von 5 Bat-Heads
Ich habe nie von charakterlicher Tiefe geschrieben. Die Motivation wurde mir allerdings dargelegt. ? Den peinlich berührten Nachbarn habe ich im Übrigen … … … verziehen. ?
moin
kennt jemand den Grund , warum Scarecrow keine eigene Geschichte bzw One Bad Day bekommen hat ?
Liebe Grüße
Leider nicht. Das wird wohl eine redaktionelle Entscheidung, gemeinsam mit den Autoren gewesen sein. Wenn das Ganze aber erfolgreich war (und das steht zumindest in Teilen zu vermuten), dürfte Scarecrow bei einer möglichen zweiten Runde ein sehr wahrscheinlicher Kandidat sein.