Review: „ONE BAD DAY – TWO-FACE“

Mit Netz und doppeltem Boden geht Autorin Mariko Tamaki auf Nummer sicher und überrascht mit unnötiger Vorhersehbarkeit.

Enthaltene Titel:
Batman – One Bad Day: Two-Face

Autor*in: Mariko Tamaki
Künstler*in: Javier Fernandez

Verlag: Panini
Seiten: ca. 76
Hardcover: 18,00 €
Variantcover: 23,00 €
Status: abgeschlossene Einzelgeschichte

Erschienen am 21.03.2023

©Panini Comics Deutschland

Nach dem katastrophalen Einstand durch ONE BAD DAY – RIDDLER liegt der Qualitätsmaßstab entsprechend niedrig. Es sollte für Autorin Mariko Tamaki also eigentlich ein Leichtes sein die ONE BAD DAY-Reihe auf Kurs zu bringen und mich zu unterhalten, überraschen oder auch zu berühren.

Zumindest hat es Tamaki geschafft, mich durch ihren kurzen Einstand im Detective Comics Paperback AUFRUHR IN GOTHAM von ihrem Potenzial zu überzeugen. Nun bestimmt sie beinahe durchgängig den weiteren Run und ist damit seit Devin Grayson die zweite Frau, die über einen längeren Zeitraum ihre Batman-Vision verwirklichen kann. Grayson konnte sich Anfang der 2000er durch die Comicreihe GOTHAM KNIGHTS und ihren NIGHTWING-Run größere Aufmerksamkeit sichern.

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Mariko Tamaki hat sich zuletzt noch mit CRUSH & LOBO in eine etwas andere Richtung gewagt, kehrt mit ONE BAD DAY – TWO-FACE aber stellenweise in ihren eigenen Gotham-Kosmos zurück. Sie zitiert aber auch aus anderen Two-Face Interpretationen und versucht der Figur dadurch nochmal mehr Kontur zu verleihen. Denn etwas wirklich Neues weiß auch Tamaki über Two-Face nicht zu erzählen.

SMARTER ABER VERSCHENKTER FANSERVICE

Der Beginn der Geschichte ist auch so ziemlich das Gelungenste des ganzen Bandes. Die Bezüge und Querverweise auf einige markante Stellen im Lebenslauf von Harvey Dent alias Two-Face und auch auf die von Tamaki geschaffene Figur Nakano gefallen mir sehr gut, weil es netter Fanservice ist. Das vermittelt mir auch eine gewisse Freude am Ausbau und Weiterentwicklung ihres eigenen Runs. Allerdings tut sie sich im weiteren Verlauf etwas schwer mit der Akzentuierung ihrer eigentlichen Hauptfigur.

„Der einstige Liebling Gothams arbeitete von nun an zielstrebig an der Vernichtung der Stadt, die er zuvor noch beschützt hatte.“

Mir ist erneut positiv aufgefallen, wie gekonnt sie eine Nebenfigur wie Stephanie Brown alias Spoiler mit genügend Text, Attitüde und Motivation ausstatten kann und diese damit sogar zu spannenderen Figur wird. Und da liegt auch die eigentliche Kritik versteckt. Es reicht eben nicht aus, Two-Faces Historie zu rezitieren und dann eine durchschnittliche Story, die so oder so ähnlich schon mehrmals erzählt wurde, zu präsentieren, die der Figur und ihrem Werdegang nichts Neues hinzuzufügen weiß.

©Panini Comics Deutschland

ÜBERRASCHEND UNAUFREGEND

Vielleicht ist der Superschurke Two-Face tatsächlich eine Nummer zu groß und Tamaki hat sich vor einer eigenen Neuausrichtung der Figur ehrfürchtig gescheut. Sie versteht es nämlich durchaus, kleinere oder völlig neue Bedrohungen dramaturgisch aufzuarbeiten. Hier erzählt sie aber lediglich mit Beiwerk ein Ereignis des geläuterten aber immer noch entstellten Harvey Dent, der sich familiär verdient machen möchte und für seinen Vater eine große Geburtstagsfeier plant. Als dann ein Brief Harveys Vater bedroht, kontaktiert er Batman, der neben der Polizei für die Sicherheit seines Vaters sorgen soll.

„Harvey Dent. Two-Face. Ist doch dasselbe, oder?“

Nun ja … was soll man dazu noch weiter sagen? Das ist es dann eigentlich schon gewesen. Der Konflikt zwischen Vater und Sohn wird leider nicht näher beleuchtet und bevor das dramatische Finale knallt, hat man es eigentlich schon kommen sehen. Ich finde das nicht einfallslos, aber unnötig zaghaft. Tamaki bestreitet hier den sichersten Weg für ihre Geschichte und versucht Risiken zu vermeiden. Dabei hat sie das Potenzial der Idee von ONE BAD DAY leider liegen lassen. Und dennoch ist diese Adaption gelungener als die vorherige von Tom King, weil sie die Figur nicht entfremdet oder ihr unpassende Attribute zuschreibt.

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FAZIT: IM ZWEITEN GANG MIT HANDBREMSE

Die von Javier Fernandez in Szene gesetzte Action ist sehr dynamisch und auch in ruhigeren Panels scheinen sich die Charaktere wirklich leicht zu bewegen. Das kann mal ein leicht geneigter Kopf sein oder ein Schattenwurf. Rein optisch muss man das erstmal so hinbekommen. Die Illustration hebt die eher dröge Geschichte sogar etwas an, auch wenn man Fernandez eine gewisse Detailarmut unterstellen könnte.

„Ich habe nichts anderes erwartet.“

Auf den über 70 Seiten gibt es fast keinen inhaltlichen Mehrwert im Bezug auf Two-Face oder Szenen, an die man sich danach noch erinnern würde. Es ist alles so durchschnittlich, dass es sich hier auch um ein kurzweiliges Einzelheft handeln könnte. Denn einige Seiten hätte man getrost kürzer halten können und damit platzsparender einen wirklich schlechten Tag im Leben von Harvey Dent erzählen sollen. So bleibt es aber lediglich bei einer Collage bekannter Ereignisse zwischen denen diese Story schlicht und ergreifend abstinkt. Und auch wenn ich mich besonders darüber gefreut habe, endlich mal wieder Cassandra Cain als Batgirl in Abendkleid und Aktion zu sehen, sollte das nicht als Qualitätskriterium für diese Reihe herhalten müssen.

BEWERTUNG: VISUAL NOISE

Man bekommt mit ONE BAD DAY – TWO-FACE keinen Totalausfall. Dafür ist die Erzählstruktur zu stimmig und die Zeichnungen zu lebhaft. Allerdings bleibt es inhaltlich eine vorhersehbare Luftnummer ohne Wiedererkennungswert. Den tieferliegenden Konflikten wird sich nicht gestellt und am Ende wissen wir so viel wie vorher. Die Figur Spoiler ist hingegen eine große Bereicherung für diese Story und zeigt, dass Tamaki als Autorin nicht mehr Seiten gebraucht hätte, sondern ihre Anzahl fokussierter hätte nutzen sollen.

So reicht es im Gesamten für solide drei Bat-Heads, aber auf keinen Fall mehr. Bei eurem Comicladen des Vertrauens oder direkt bei Panini gibt es diesen Band im schönen Überformat noch zu haben. Eine spannende Auseinandersetzung mit der Figur Two-Face gibt es auch im hauseigenen Podcast-Projekt Arkham Insights, welches euch gern kostenfrei in eurer Freizeit zu unterhalten weiß.


3 von 5 Bat-Heads

ZWEITSTIMME: MARIAN

ONE BAD DAY – TWO-FACE ist eigentlich eine ganz solide Geschichte. Doch sie hat einen entscheidenden Haken – sie präsentiert tatsächlich eine zwiespältige Prämisse. Manch eingefleischte Batman-Fans mag es stören, dass wir hier einen abermaligen Abriss über Harveys Historie bekommen. Ich aber habe die Geschichtsstunde sehr genossen. Auch die Art und Weise, wie vergangene Storylines in diese Erzählung eingewoben und gar mit der aktuellen Kontinuität in Einklang gebracht wurden, habe ich als äußerst gelungen empfunden.

Tamaki hat also ihre Two-Face-Hausaufgaben erledigt. Allerdings stellt sich eben die Frage, für wen diese Story eigentlich geschrieben ist. Wenn ich bereits mit den Figuren vertraut bin, errate ich die Auflösung des Falls bereits in dem Moment, in dem Batman präsentiert wird. Etwas wirklich Neues bekommt man damit nicht geboten. Neuleser könnten hingegen überrascht sein und einiges über die Figur lernen. Aber die werden mit vielen subtil versteckten Informationen nichts anfangen können, sodass schnell Langeweile aufkommen kann.

Auch wenn ich das Ende vorhersagen konnte, so fiel es mir dennoch nicht schwer, mich auf die Geschichte einzulassen und ihr zu folgen. Pacing und Tempo fand ich hier ziemlich stimmig (ich war innerhalb kürzester Zeit mit dem Band durch) und das Artwork über weite Strecken mindestens gelungen. Aber zum Schluss verliert die Geschichte deutlich an Schwung. Der große, unausweichliche  Schockmoment verpufft vorhersehbar und in einigen Punkten ist die Story etwas inkonsequent. Vom Konzept des „One Bad Day” ist hier außerdem wenig zu erkennen.

Kauf und Genuss des Bandes obliegen im Grunde einer Herzensentscheidung. Wer Sympathie für Two-Face und seine Historie aufbringen kann, wird sich gut unterhalten fühlen. Ob man dafür knapp 20 € auf den Tisch legen will, muss jeder für sich selbst entscheiden.


3 von 5 Bat-Heads

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“You wanna get nuts? Come on! Let’s get nuts!” – Bruce Wayne (1989) / Lego Batman (2017) / Batman (2023)

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