Warum gerade zu Beginn Mr. Freeze? Warum nicht der Joker oder Catwoman? Oder warum nicht mit den ganz kleinen Lichtern beginnen und uns zu den Schwergewichten hocharbeiten?
An erster Stelle verdeutlichen der Charakter selbst, als auch seine Geschichte in dieser Serie äußerst anschaulich, was ich an Batman TAS so schätze. Vor allem die ersten beiden Freeze-Episoden sind ein Abziehbild für Batmans Charakterisierung in TAS als auch für sein Wirken innerhalb seiner Welt. Konkret bedeutet das: Batman ist kein tumber Schläger auf Rachefeldzug, sondern er versucht die Düsternis um sich herum (und in sich) zu bekämpfen.
Dazu zählen natürlich allerlei körperliche Auseinandersetzungen. Aber wann immer Batman die Möglichkeit sieht, spricht er mit und zu seinen Gegenspielern. Manchmal setzt er dies als taktisches Element ein, manchmal tut er das mit all seiner Empathie, um seinem Gegenüber aufzuzeigen, dass es auch andere Wege, dass es Hoffnung gibt. Zumindest mir wurde so immer vermittelt, dass er das auch selbst glaubt.
Mit demselben Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl erzählen die Autoren – allen voran Paul Dini – eben auch diese kleinen Geschichten und bringen dem Zuschauer so nahe, warum jemand tut, was er tut. Wir lernen Hintergründe und Biografien von Figuren kennen, die lange Zeit einfach nur böse handelten, weil sie eben böse waren. Durch die Herangehensweise in TAS erfahren wir Details und Entscheidungsgrundlagen von Protagonisten und können uns selbst ein viel differenziertes Urteil bilden. Das wiederum steigert die Qualität der Episoden ungemein.
Was mich wieder zu Mr. Freeze zurückbringt und seiner Einführung in TAS mit der Folge:
„Herz aus Eis“ (S01E14; Original: „Heart of Ice“).
Allein zu dieser einzelnen Episode könnte man seitenweise referieren; weshalb sie sich wiederum perfekt für den Einstieg hier eignet. Sie wurde mehrfach von Fans zur besten Folge der Animated Series ernannt, wurde nach Erscheinung mit dem Emmy für „Outstanding Writing in an Animated Program“ geehrt und schaffte es so quasi über Nacht, Batman TAS weit über die Grenzen der Kinderzimmer bekannt zu machen.
Nicht zuletzt definierte sie den Antagonisten, Mr. Freeze, und dessen Origin neu und schaffte es so – schon weit vor „Mad Love“ – Inhalte der Trickserie auch fest in der laufenden Comickontinuität zu verankern.
Worum geht’s?
„Herz aus Eis“ beginnt nach dem bekannten TAS-Intro mit einer zarten, weihnachtlich/winterlichen Melodie, gefolgt vom animierten Bild fallenden Schnees, welcher sich schließlich auf eine sich drehende Ballerinafigur innerhalb einer Schneekugel herabsenkt. Unmittelbar danach setzt der Dialog eines mysteriösen Fremden aus dem Hintergrund ein. Der Unbekannte mit der metallenen Stimme und den rot leuchtenden Augen sinnt auf Rache und schwört, den Beweis zu erbringen, dass man diese „auch kalt servieren kann“.
Dieser Einstieg ist kraftvoll und setzt sofort den Ton für den Rest der Episode. Während uns die eifrige Reporterin, Summer Gleeson, in der Folgesequenz mitteilt, dass sie (im Gegensatz zum Zuschauer) keine Ahnung von den Motiven eines neuen Verbrechers in der Stadt hat, kann sie sehr wohl über dessen Modus Operandi berichten: Mit einer „Eiskanone“ wurden „mitten im heißesten August seit Menschengedenken“ mehrere Verbrechen in Gotham begangen. Ständiges Ziel dabei ist die Firma Gothcorp. Die Verbrechen seien „verbunden mit gefährlicher Vereisung, die Gothamer Bürger bis ins Mark erzittern lassen“.
In weniger als einer Minute ist uns mal mehr, mal weniger subtil vermittelt worden, dass dies eine frostige Episode wird. Dabei sind die markanten und mit Schnee und Eis assoziierten Worte geschmeidig in die ersten beiden Monologe eingepflegt worden, ohne, dass sie erzwungen wirken. Damit schafft diese kleine Trickfilmepisode von 1992 etwas, woran heutzutage einige millionenschwere und stundenlange Blockbuster kläglich scheitern.
Aber wie geht es nun weiter? Naja, es ist Gotham City, also wird sich wohl Batman darum kümmern. Und das tut er auch mittels seiner viel besungenen Detektivarbeit. Schnell findet er heraus, was der eiskalte Schurke plant (den Bau einer gigantischen Eiskanone nämlich) bzw. wo er als nächstes zuschlagen wird.
Natürlich stellt Batman den unterkühlten Fremden nach ein paar kleinen Startschwierigkeiten. Der Delinquent stellt sich als Mr. Freeze vor. Ein Gag übrigens, der in der Synchro nicht funktioniert (Batman: „Freeze!“ … Mr. Freeze: „That’s MISTER Freeze to you!“). Batman darf auch gleich mit dessen beeindruckender Kältepistole Bekanntschaft machen und ist schließlich gezwungen, den Gauner laufen zu lassen, um einen der dämlichen Freeze-Goons in der Bathöhle wieder aufzutauen (dieser verliert offenbar seine Schuhe während des Auftauprozesses). Hier lernen wir übrigens, dass es in der Bathöhle eine Rolltreppe gibt ☺
Dank der Recherchearbeit von Bruce Wayne begegnen wir als nächstes Ferris Boyle, dem Geschäftsführer von Gothcorp.
Fun-Fact: Ferris Boyle wird im Original von Mark Hamill gesprochen. Der Joker war zu diesem Zeitpunkt noch mit Tim Curry besetzt. Als dieser später der Produktion den Rücken kehrte, griff man auf Hamill zurück, weil er eben schon bekannt war. Mehr dazu gibt es dann bei Besprechung der Joker-Folgen.
Die Story schreitet voran und nach und nach wird die tragische Origin des Victor Fries (anhand Aufzeichnung einer Überwachungskamera) offenbar.
Vor ca. einem Jahr: Als Angestellter von Gothcorp nutzt Fries firmeneigene Geräte, um seine bisher unheilbar kranke Frau Nora in kryogenischer Stase zu halten. Boyle kommt ihm auf die Schliche und dringt mit 2 Wachleuten in das Labor ein. Er befiehlt die Abschaltung, da er Firmeneigentum als zweckentfremdet sieht und sich zudem Schulden angehäuft hätten. Noras Tod nimmt er dafür in Kauf.
Es kommt zur Auseinandersetzung zwischen den beiden Männern, an deren Ende Boyle Victor Fries mit einem Tritt auf einen Tisch mit Chemikalien befördert. Während die Wachleute und Boyle fliehen können (und Fries sowie dessen Frau fortan für tot halten), kommt Victor dort mit seinem eigenen Kühlmittel in Kontakt. Seitdem kann bei Temperaturen über dem Gefrierpunkt nur dank eines eigens gefertigten Schutzanzugs überleben.
Als Freeze Batman beim Betrachten seiner Entstehungsgeschichte überrascht, sagt er auch wörtlich: „Ich wäre zu Tränen gerührt, wenn ich noch weinen könnte“. Daran werden wir uns noch erinnern.
Freeze schafft es, Batman zu überwältigen und ihn kopfüber in seiner Eislandschaft festzuhalten. Eine gute Möglichkeit für Freeze, den eigenen, tragischen Mythos wortreich zu festigen:
„Ich habe keine Gefühle mehr, sie sind alle in mir erfroren.“
„Überlegen Sie mal Batman, wie es ist, nie wieder an einem Sommertag den heißen Wind im Gesicht zu spüren und eine warme Hand in der Seinen zu halten. Oh ja, dafür bin ich bereit zu töten“.
Und das will er eindrucksvoll unter Beweis stellen. Ferris Boyle, welcher moralisch gesehen, bei der Entstehung von Mr. Freeze keine sonderlich gute Figur gemacht hat und sich generell abschätzig über seine „Lohnsklaven“ äußert, soll in Gotham zum „Humansten Industriellen des Jahres“ ausgezeichnet werden. Dort will Freeze endlich Rache nehmen.
Damit steuert „Herz auf Eis“ auf seinen dramatischen Höhepunkt und den finalen Kampf mit Batman zu. Kurzum: Batman triumphiert über Mr. Freeze – dank Alfreds Hühnersuppe! ☺ Direkt im Anschluss führt Bats – dank des Überwachungstapes – Ferris Boyle seiner Verurteilung zu.
Die letzte Einstellung zeigt Freeze in einer extra kalten Zelle des Arkham Asylums, wie er zu der Ballerinafigur in der Schneekugel spricht:
„Ich kann dich nur um Verzeihung bitten und beten, dass du mich irgendwie, irgendwo hören kannst. Irgendwo, wo eine warme Hand auf mich wartet.“
Entgegen seiner Behauptung stehen nun doch Tränen in seinen Augen. Die Kamera fährt zurück und zeigt Batman, welcher den trauernden Freeze betrachtet.
ENDE
Mr. Freeze, weinend in seiner Zelle – Paul Dini, Autor dieser Folge, wird später in Kevin Smiths Podcast erzählen, dass dies die erste Szene war, welche er für „Herz aus Eis“ im Kopf hatte. Das Team habe sich entschieden, den Charakter „kaltherzig“ zu entwerfen und er habe sich dann Gedanken darüber gemacht, wie es dazu gekommen sei und was gefühlskalt überhaupt bedeute.
„Ein Typ, der behauptet, emotional tot zu sein, ist eigentlich sehr emotional. Man muss nur den richtigen Zugang finden […] Ich wollte diesen Kerl allein in einem gekühlten Raum sitzen sehen und während er weint, verwandeln sich seine Tränen in Eis oder Schneeflocken“. – Paul Dini
Als Dini im Interview diesen Schaffensprozess beschreibt, kann er nur noch mit erstickter Stimme weiterreden, weil ihm selbst die Tränen kommen. Das ist recht beeindruckend, weil es meiner Auffassung nach die Leidenschaft und die Liebe der Macher für die Charaktere und Geschichten dieser Serie verdeutlicht.
Die Schneeflockensequenz wurde im Trickfilm übrigens so nicht umgesetzt. Eine Remineszenz findet sich dann im Spielfilm „Batman und Robin“, als Arnie/Freeze die Tränen auf der Wange gefrieren.
Die Episode ist sehr gut gezeichnet und orchestriert. Die Animationen sind flüssig und wirken besonders gelungen (ja, ich weiß von dem kurz farblich invertierten Batmanlogo). Abgerundet wird all dies von den wunderbar geschriebenen Dialogen und der bewegenden Geschichte um Freeze und Nora.
Seine Kraft gewinnt dieses erzählerische Kleinod aus der Kombination von eindrucksvoller Bildsprache und erstaunlich gut platzierten Actionsequenzen, Gags und emotionalen Momenten. So gelingt es in dieser einen Folge, Entstehungsgeschichte, Motive und den Kampf des Mr. Freeze mit unterzubringen, ohne, dass in der Erzählung Hast aufkommt. Ein kleines Meisterwerk!
Aufgrund des durchschlagenden Erfolgs dieser Episode, wird dies absofort zur offiziellen Hintergrundgeschichte von Mr. Freeze. Jene Figur, welche erstmals 1959 unter dem Namen Mr. Zero in den Comics eingeführt wurde. Zwar gehörte er bald zu den wiederkehrenden Schurken in Batmans Rogues Gallery und hatte auch mehrere Auftritte in der Batman-Serie der 60er Jahre (Hier, Hier und Hier).
Doch in all diesen Medien hatte er keine konsistente Origin und war lediglich der Typ mit der Kältekanone. „Herz aus Eis“ gab ihm das Etikett eines komplexen Charakters, welcher in seiner jetzigen Gestalt behauptete, auch emotional völlig erkaltet zu sein.
Mit Blick auf die weitere Entwicklung von Freeze in der Animated-Welt gibt es fortan ein nicht unwesentliches Detail zu beachten: Der Zuschauer muss bei „Herz aus Eis“ geradezu davon ausgehen, dass Nora tot und verloren ist. Aber, Spoiler, das wird nicht so bleiben …
Dennoch mussten die Fans ziemlich lang auf eine Fortsetzung warten. Paul Dini und Bruce Timm, für die beide „Herz aus Eis“ das Erstlingswerk innerhalb der neuen Batmanwelt war, hatten ursprünglich geplant, diese gelungene Episode für sich stehen zu lassen und keine weitere Folge mit Batmans coolstem Gegenspieler zu produzieren.
Trotzdem entstand irgendwann…
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