Retro-Review: „GOTHAM CITY MONSTERS“ (2020)

Frankenstein, Killer Croc, Orca, ein Vampir und Lady Clay gehen in eine Bar. Klingt wie ein Witz? Ist es nicht – in GOTHAM CITY MONSTERS gibt’s wenig zu lachen.

©Panini Comics Deutschland

Der aufmerksamen Hörerschaft des BATCASTs #180 – THE BAT, THE BOOKS & THE UGLY bin ich noch etwas schuldig. In dieser kurzen Retro-Review möchte ich den geheimnisvollen Andeutungen etwas mehr Raum geben.

Dass dies eine Retro-Review wird, hat seine Berechtigung in der zeitlichen und inhaltlichen Einordnung. Denn GOTHAM CITY MONSTERS spielt nach den Ereignissen von LEVIATHAN. Damals hatte sich Marian den ersten Sammelband für euch angeschaut. Zum Glück hatten wir damals noch keine Bat-Heads, denn sein Fazit fiel schlichtweg unterwältigend aus.

Nach LEVIATHAN ist während BANE CITY. Der gesammelte Batman-Run von Tom King hat mich lange begleitet und mit BANE CITY dann doch noch ein versöhnliches Ende finden können. Meine wohlwollende Bewertung war damals auch ein Ausdruck von Erleichterung.

Nun kehren wir in diese Rebirth-Ära zurück, haben zur Bewertung Bat-Heads eingeführt und einen Sammelband voller Monster und anderen Kreaturen vor uns. Ich freue mich retromäßig.

Während Bane und seine berüchtigten Schergen Gotham City vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben, wurden zwei Stadteile zu Monstertown zusammengefügt. Ein neuer Bezirk in Gotham, der für alle unliebsamen Kreaturen gedacht ist, die Banes Zielen nicht dienlich erscheinen. Das hat den Vorteil, dass die Andersartigkeit nicht mehr von der vermeintlichen Norm verfolgt wird. Aber auch unter Monstern herrschen unterschiedliche Ansichten und Bedürfnisse.

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Es sollte jedem bewusst sein, dass wir es hier mit allerlei okkulten Humbug zu tun bekommen. Die Auferstehung von Agent Frankensteins Erzfeind steht da augenscheinlich im Fokus, es gibt gleich mehrere dämonische Riten und damit verbundene Opfergaben. Und irgendwie spielt da noch das Meta- und Multiversum eine Rolle. Aber eigentlich auch nur so nebenbei, denn diesen Zauberkram kann man genauso quatschig in zahlreichen anderen Geschichten nachlesen.

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Was in GOTHAM CITY MONSTERS so richtig fetzt, sind die absurden Charaktere. In der Hauptrolle haben wir Agent Frankenstein. Frankenstein ist stumpf, direkt und damit auch immer wieder amüsant. Seine ständigen Oneliner erinnern an die (besseren) Actionfilme der 80er Jahre. Ständig schaut er dabei noch grimmig an den Panelrand und scheut in keiner Sekunde vor brachialer Gewalt zurück. Gleich zu Beginn macht dieser Sammelband seinen Brutalitäts-Standard auch mehr als deutlich.

Der Vampir Andrew Bennett ist der einzige Charakter mit wirklichem Einfluss auf die Geschichte. Ansonsten wurde hier alles aus dem Lostopf gegriffen, was unterschiedlicher nicht sein könnte. Killer Croc versucht sich anfänglich noch in bürgerlichen Bewerbungsgesprächen, während Orca (halb Mensch, halb Orca, halb Wissenschaftlerin, halb Tante, halb Kriminelle) im Untergrund Jagd auf Umweltsünder macht. 

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Zusammen mit der orientierungslosen Lady Clay teilen sich diese Charaktere eine Neuausrichtung ihrer Leben. Durch die Ereignisse der Leviathan-Organisation gibt es quasi keine Organisationen mehr, denen man angehören könnte. Dieser Aspekt der Identitätskrise vereint schlussendlich all diese Figuren miteinander. Ironischerweise kehren alle wieder in ihre ursprünglichen Muster zurück, um dieser entfliehen.

Dem Autor Steve Orlando gelingt die Charakterzeichnung nicht bei allen Figuren gleichermaßen interessant. Dennoch schafft er es sogar einem Red Phantom in wenigen Passagen die gewisse Tragik zu verleihen und mir auch Lady Clay immer wieder emotional näher zu bringen. Das alles geschieht auf einem relativ oberflächlichen Niveau. Da es hier aber ähnlich wie in den älteren Suicide Squad-Comics zugeht, stört mich dieser Umstand kein bisschen. Denn es fühlt sich auch alles so rotzig wie bei der Squad an.

Die unstetige Qualität von Amancay Nahuelpan Artwork ist vor allem zu Beginn des Sammelbandes für mich etwas enttäuschend gewesen. Dass er es deutlich besser kann, beweisen die beiden letzten Kapitel. Gerade seine Figurendetails und exzentrischen Gesichtsausdrücke sind wahre Hingucker. Dennoch bleibt auffällig, dass je weniger Figuren sich in einem Panel befinden, desto dürftiger ist auch der Hintergrund ausgestaltet.

In vielen Dialogen und Kampfszenen ist ein Hintergrund praktisch nicht existent. Man kann dem Künstler sogar unterstellen, dass er einen Umhang mehrmals so platziert, dass er sich die Ausgestaltung des Hintergrundes zum größten Teil absichtlich ersparen möchte. Und es sitzt auch nicht jede Bewegungsdarstellung. Von den unsinnigen Schattenwürfen mal ganz abgesehen. Aber einen realistischen Ansatz sollte man ohnehin zu keiner Zeit erwarten.

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Aber was macht denn die Optik dann überhaupt sehenswert? Ganz kurz: Es ist die farbliche Arbeit von Trish Mulvihill. Die unsinnigen Schattenwürfe machen in den Farbpalletten, in denen Mulvihill beherzt reingreift, einfach nur Spaß. Die hohe Kunst, die er zusätzlich noch beherrscht, ist jeder skurrilen Figur die richtigen Farbnuancen der Atmosphäre zu verleihen. Niemandem nützen tolle Charaktere, die sich farblich dem Gesamtbild verweigern und hervorstechen oder in diesem untergehen. Mulvihill hat es sogar geschafft, das stark vordefinierte Batwoman-Design farblich unauffällig neben all die einzigartigen Charaktere zu platzieren. Das liegt nicht an Batwomans Kostüm, sondern an der hervorragenden Arbeit drumherum.

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Hatte ich schon die sprechende Mandrill-Affen-Armee erwähnt? Nein? Dann wahrscheinlich auch nicht die Mars-Todesdrohnen und das viele rote, lila, violette, grüne und türkise Blut? Die schwachsinnigen Sprüche des Hauptantagonisten dann wahrscheinlich auch nicht. Von dem völlig überzogenen Gewaltgrad wisst ihr aber schon?

Naja, das alles werdet ihr ohnehin nur erfahren, wenn ihr Lust auf verschrobene unmenschliche Figuren habt. Denn hier wird ein klassischer Actiontitel aufgefahren, der durch seine Atmosphäre und oft missverstandenen Charaktere glänzt. Das nicht immer optimal umgesetzte Artwork wird durch die brillante Farbgebung aufgefangen. Die zu vernachlässigende Story ist Mittel zum Zweck und schreckt vor keiner Absonderlichkeit zurück. Dass das alles neben dem BANE CITY-Verlauf passiert sein soll, ist natürlich absurd. Also irgendwie wie alles, was es in diesem Sammelband zu finden gibt. So etwas sollte man schon wollen.

Auch wenn ich diesmal etwas strenger sein muss, weil die Abzüge zu offensichtlich sind und gemacht werden müssen, möchte ich euch dieses kurze Abenteuer dennoch empfehlen. Vergesst mal die Pacing-Probleme der Geschichte und einige ungelenk eingestreute Charaktermotivationen. Für ein gesundes Mittelmaß wurde ich mit allen anderen Zutaten einmal zu oft angenehm überrascht. Es steckt einfach eine Menge Liebe und Nostalgie in diesen Seiten. Es wurden Figuren zusammengeführt, die so nicht mal existieren sollten. Also seid mal nicht so steif wie Frankenstein nach seiner Wiederauferstehung. GOTHAM CITY MONSTERS ist eine abgeschlossene, kurzweilige und facettenreiche Geschichte.

Auch wenn wir es hier nicht mit einem Meisterwerk zu tun haben, ist GOTHAM CITY MONSTERS dennoch bei Panini Comics vergriffen. Digital solltet ihr aber fündig werden. Oder ihr habt so großes Glück wie ich und findet diese eingestaubte und leicht miefige Monster-Actionperle noch bei eurem Comicladen des Vertrauens in der dunkelsten Ecke.


3 von 5 Bat-Heads

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“You wanna get nuts? Come on! Let’s get nuts!” – Bruce Wayne (1989) / Lego Batman (2017) / Batman (2023)

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