In acht Kurzgeschichten widmen sich verschiedene Kreative ihrer Auffassung von Gruselgeschichten. Dabei wird es weniger unheimlich als viel mehr blutig und bizarr.

Titel:
DC HORROR – Gruselgeschichten
Enthaltene Titel:
DC HORROR Presents #1 – 4
Autor*in: David Dastmalchian, Leah Kilpatrick, The Boulet Brothers, Jordan Blum, Brendan Hay u.a.
Künstler*in: Butch Mapa, Cat Staggs, Tom Derenick, Walta Brana, Danny Earls, Logan Faerber u.a.
Colorist*in: Romulo Fajardo Jr., Kristian Rossi, Nick Filardi u.a.
Verlag: Panini
Seiten: ca. 104
Softcover: 15,00 €
Hardcover: 29,00 €
Status: abgeschlossene Einzelgeschichten
Erschienen am 10.07.2025
©Panini Comics Deutschland
Neben den Erkältungswellen kommt es in dieser Jahreszeit deutschlandweit auch zu einem ganz anderen Phänomen. Am 31.10. steht die Nacht der Toten an. Und so locken die Halloween-Festlichkeiten allerlei Interessierte zu unheimlichen Kostümen, schrägen Speisebuffets und schrecklich guter Unterhaltung ein. Denn bevor zum Feiertag an Allerheiligen der Toten gedacht wird, werden am Halloween-Abend davor eben jene gerufen und heraufbeschworen. Passend dazu wage ich einen kritischen Blick in die Kurzgeschichtensammlung DC HORROR – GRUSELGESCHICHTEN.
Ich habe ein ausgeprägtes Interesse an dem Schrägen und Andersartigen. Zu faszinierend sind für mich derartige Grenzerfahrungen und der Blick hinter etablierte Normativitäten. Ausschlaggebend sind und waren da selbstredend filmische Werke von Tim Burton (bspw. BATMAN RETURNS, NIGHTMARE BEFORE CHRISTMAS) oder Guillermo del Toro (bspw. PANS LABYRINTH, CRIMSON PEAK), aber auch literarisch unheimliche Auswüchse wie von Edgar Allan Poe (bspw. DER GOLDKÄFER, DER UNTERGANG DES HAUSES USHER) oder Koji Suzuki (DARK WATER, THE RING-Trilogie). An diesen sehr zu empfehlenden Beispielen lässt sich auch schon etwa meine Vorstellung von Schauergeschichten ableiten.
GRUSEL ODER HORROR?
Mir geht es niemals um rohe Brutalität, die obsessiv ausgekostet wird, aber sie kann ein Teil von einer guten Horrorgeschichte sein. Es bedarf auch nicht immer eines übernatürlichen Wesens, welches dich noch unter der Bettdecke zu packen versucht. Horror ist in meiner Auffassung die Konfrontation mit Ängsten und Gewalt. Die Antriebsfeder für eine Gruselgeschichte sollte hingegen immer das Unbekannte sein, welches es zu ergründen gilt und von einer dichten Atmosphäre lebt. Die ganz hohe Kunst ist, diese beiden Aspekte zu vereinen und einen durchdringenden Hybriden zu erschaffen. Ob der dann aber vom Rezipienten zufriedenstellend angenommen wird, steht wiederum auf einem anderen Blatt. Denn das Empfinden von Ängsten ist auch stark von persönlichen Erfahrungen geprägt. Mich holen beispielsweise weibliche Geistergestalten in langen weißen Unterhemden, deren langes schwarzes Haar im Gesicht hängt, nur noch bedingt ab.
„Nur über deine Leiche!“
Wenn man sich für Grusel- oder Horrorgeschichten entscheidet, ist man auf der Suche nach dem noch nicht Erfahrenen. Die Geschichte sollte überraschen, aber in allererster Linie spannend sein und uns nur langsam zur Auflösung leiten. Deswegen gibt es auch richtige Horror-Thriller, wie den Film SIEBEN, der eine Unmenschlichkeit so spannend erzählt hat, dass er zu den Klassikern seines Genres zählt. Verstörend, brutal, nachhaltig intensiv und bis zur menschlichen Unkenntlichkeit inszeniert. Es gibt viele Arten von Grusel und Horror und man muss nicht alles mögen. Ich habe da nämlich auch so meine Grenzen, die ich nicht ignorieren kann. Würde also die Gestalt Pennywise aus Stephen Kings Roman ES vor mir stehen, wüsste ich ganz genau, was zu tun wäre – rennen!
ICH LIEBE JEDEN TEIL VON DIR & OHNE TITEL
Eigentlich beginnt der Sammelband mit einer sehr guten und auch schaurigen Erzählung. Der Suizid eines Mannes, der sich scheinbar freiwillig von einer Dachterrasse stürzte, wird von seiner Frau beweint. Schockiert rennt sie den Sanitätern hinterher, die gerade den Leichnam abtransportieren wollen. Trauriges Mitgefühl liegt aber nur solange in der Luft, bis sie sich ein Messer schnappt und irrsinnige Sätze von sich gibt. Sie könne ihren Mann wieder hinbekommen. Er brauche sie. Das Ganze liest sich auf wenigen Seiten intensiver, als es zunächst den Anschein macht. Die Autoren David Dastmalchian und Leah Kilpatrick zeigen auf ihren zehn Seiten, wie es geht. Mit der künstlerischen Unterstützung von Cat Staggs und Romulo Fajardo Jr. gelingt es, eine unheimliche Grundlage zu schaffen, diese zu überspitzen und zum Schluss noch einmal ins Absurde zu überdrehen – herrlich! Damit ist die Messlatte für die kommenden Künstlerteams schon mal gesetzt. Bei wem es jetzt nachträglich klingelt – ja – David Dastmalchian ist genau der Schauspieler an den du gerade gedacht hast. In seiner Filmografie finden sich unter anderem auch bedeutende DC-Einträge wie THE DARK KNIGHT, die Serie GOTHAM oder auch zuletzt THE SUICIDE SQUAD.

Leider kann dieser gute Einstieg nicht so recht gehalten werden. Was folgt, ist eine der schwächeren Geschichten im Potpourri des grenzwertigen Geschmacks. Auf der Amazonen-Insel Themyscira erwacht Wonder Womans Mutter Hippolyta in ihrer Familiengruft und sorgt in üblicher Zombie-Manier für Stunk. Diese Geschichte kommt leider gänzlich ohne besonderen Kniff oder schauriger Raffinesse daher. Man ist sogar so nach Spannung bemüht, dass man zum Ende einen Cliffhanger präsentiert, den man in jedem laufenden und abgelaufenen Comic-Run jemals gebracht hat. Hier ist man einer Illusion von Erregung lediglich hinterhergelaufen und betitelt das auch noch offiziell mit OHNE TITEL.

PUPPENSPIELER & ABERGLÄUBISCHES PACK

Anschließend bekommt LaToya Morgan ihre Chance. Mit dem Titel PUPPENSPIEL schickt sie zwei kostümierte Teenager auf ein verlassenes Filmgelände. Natürlich soll dort genretypisch geknutscht werden. Das ist ein schöner Wink an etablierte Teenie-Slasher-Stereotypen. Doch damit hat sich Morgan nicht zufriedengegeben. Sie zitiert zudem mehrmals augenzwinkernd aus der Batman-Historie, bleibt dabei modern albern, nur um dann völlig zu eskalieren. Neben dem durchgängigen leichten Humor hat sie sich zudem eine Auflösung ausgedacht, die mich auf einer ganz persönlichen Ebene begeistert hat.
„Wow. Das ist Arnold Weskers Zelle!
Sogar mit einem Easter Egg.“

Manchmal bekommt man einen Thriller-Ansatz oder Slasher-Ansatz. Dieses thematische Wechselspiel ist natürlich nicht zufällig und kommt von der Veröffentlichungsstrategie der US-amerikanischen Originalausgaben, die Panini hier vollständig abgedruckt hat. Das ist für den Verkauf sinnvoll. Wenn mir eine Geschichte nicht gefällt, kann ich ja noch darauf hoffen, dass mir die darauffolgende mehr zusagt. In dem Ableger DC HORROR PRESENTS … #2 ist es andersherum. Die Story von LaToya Morgan hat mir wirklich gefallen und dann folgt eine gähnende Geistergeschichte mit dem Titel ABERGLÄUBIGES PACK.

Wenn in einer Geschichte um einen Geisterspezialisten, der Oswald Cobblepot beratend und aufklärend an die Seite gestellt wird und das eigentliche Highlight ein kleines Panel mit Batman am Ende ist, dann ist es Aaron Sager nicht gelungen, mich abzuholen. Diese Geschichte kommt bei mir leider völlig spannungsarm an. Allein schon, weil ich die Figur Mr. Stack (nicht zu verwechseln mit Simon Stagg) wirklich nicht kenne. Vielleicht kann mir da die interessierte Leserschaft einen Hinweis hinterlassen? Immerhin konnten mich die Zeichnungen von Ryan Kelly und die blaue Farbpalette von Dee Cunniffe unterhalten. Spannend waren die teils ausschweifenden kryptischen Andeutungen der Figuren aber wirklich nicht.
DAS MORGEN-GRAUEN & SIE BRÜTEN WAS AUS

„Groteske, menschlich geformte Bäume.“
Wieder richtig stark finde ich die beiden Solowerke von Francesco Francavilla und Patrick Horvath. Beide Künstler haben ihre jeweilige Story selbst geschrieben und auch bebildert. Sowas funktioniert nicht immer, aber hier klappt das richtig gut. Francavilla fokussiert sich auf die Angst des Alleinseins mit dem Hauptprotagonisten Batman und erinnert mich dabei an den Manga UZUMAKI von Junji Ito. In Itos wahnhafter Erzählung sind es spiralförmige Dinge, die die Gesellschaft Stück für Stück vereinnahmen. Das spitzt der Japaner so lange zu, bis sich Menschen selbst in eine Spiralform verwandeln und beispielsweise verstörend aus einer Waschmaschine gaffen. Greifbarer formuliert es Francavilla und erzählt uns von der perversen Transformation zu Baumwesen. Dabei nutzt er den vermeintlichen Bodyhorror, ebenfalls lediglich als Vehikel für die Angst vor Isolation und gemeinschaftlichem Druck. Hier merkt man aber zum ersten Mal, dass die Idee dahinter auf zehn Seiten nicht so richtig aufgeht. Dafür ist sie zu groß und nimmt sich auch zu ernst. Dennoch definitiv eine der besseren Gruselgeschichten in diesem Band.
„Aber wenn solche Sporen je auf einem Planeten landen würden,
der ungeschützt ist … „
Patrick Horvath hat mit SIE BRÜTEN WAS AUS vielleicht meine Lieblingsgeschichte im vorliegenden Sammelband angeliefert. Die Hauptfigur Adam Strange gelangt eher zufällig durch einen Energiestrahl zwischen den Planeten Rann und der Erde hin und her. Aufgrund der unterschiedlichen Organismen auf den Planeten und seiner schmutzigen Schuhe scheint er die Erde kurzerhand unabsichtlich verseucht zu haben. Nun sind die Menschen von parasitären Pilzen befallen, die ihre Köpfe bis zum Aufbrechen anschwellen lassen. Das klingt nicht nur ekelig, sondern sieht auch wirklich abartig aus. Die aufgeblähten Köpfe sind erschreckend detailliert gezeichnet. Und wenn Adam Strange zum ersten Mal live einen Pilz aus dem Schädel eines Anwohners brechen sieht, muss man sich einfach fragen, was zum Geier man da gerade liest. Wie bereits erwähnt, ist für mich Brutalität nie ausschlaggebend für eine gute Horrorgeschichte. Aber hier nutzt Horvath die anfängliche Ruhe, die sich anbahnende Bedrohung und die hohe Gore-Darstellung für einen der überraschendsten und witzigsten Einfälle, die ich seit Langem gesehen habe! Hier wurde ich wirklich kalt erwischt. Durch die Atmosphäre, der Illustration und der aberwitzigen Auflösung ist diese Geschichte eines der Highlights von DC HORROR – GRUSELGESCHICHTEN.
DER DIAMANT, DER NIMMT & EINE FRAGE VON LEBEN UND UNTOT

In der vorletzten Geschichte bekommt die interessierte Leserschaft eine extrem gute Kolorierung von Jão Canola dargeboten. Hier überzeugt Catwoman mit dem Diebstahl eines Diamanten, der titelgebend mehr nimmt, als er zu geben hat. Geschrieben von Patton Oswalt (hier klingelt es eventuell wieder im Schauspielbusiness) und Jordan Blum, überzeugt DER DIAMANT, DER NIMMT vor allem durch seine Schnelllebigkeit. Während Catwoman noch durchs Bild schwingt, werden uns die bisherigen Ausmaße der funkelnden Gnadenlosigkeit bewusst. Eindeutige Bezüge auf Gothams Schurkengalerie lassen sich genauso finden, wie die zwei, drei Überraschungen innerhalb der wenigen Seiten. Allerdings entstehen hier weniger Bilder im Kopf. Es wird für einen richtigen Grusel zu viel gezeigt und für den richtigen Horror zu wenig. Im Gesamtkonzept bleibt die Geschichte zu schüchtern, in der Präsentation aber solide.
„Da waren Ketten,
Brücken hab ich gegessen,
dann noch cytronische Polymeere der sechsten Dimension…“
Mit dem Kreativteam Steve Kostanski und Brendan Hay sowie Logan Faerber, der sich für die farbige Bebilderung verantwortlich zeigt, gibt es dann noch einmal einen sehr grotesken Abschluss. Die Figur Matter-Eater Lad reist regelmäßig durch die Galaxis zu festen Stationen und isst dort … alles. Wirklich alles! Er hat die Fähigkeit, wirklich alles in sich aufzunehmen – mit dem Mund. Er verschlingt auch meist nie etwas in Gänze, sondern muss abbeißen und kauen. Dabei ist es egal, ob es Schusswaffen, metallische Werkzeuge, biologische Abfälle, menschliche oder außerirdische (Bio)Massen sind. Ja, sogar ein lebendes Schwein soll Matter-Eater Lad gegessen haben. Dabei natürlich immer zum Wohle der Gemeinschaft. Diese Art der Entsorgung von unliebsamen Materialien scheint nachhaltig zu wirken. Doch auch Tenzil, wie er selbst genannt werden möchte, hat seine eigenen Ekelgrenzen und begeht einen fatalen Fehler. Er isst seinen „Teller“ nicht auf.
„… Liefernachweise von United Planets Shipping aus sieben Jahren …“
Was sich aus dieser Geschichte entspinnt, ist ein Bodyhorror-Gore-Sci-Fi-Drama, das nicht nur sehr nach FALLOUT aussieht, sondern sich durch den skurrilen Humor auch stark so anfühlt. Dabei wird die Schwelle zur abstoßenden Ekelgrenze regelmäßig überschritten und sogar gefeiert. Kann man mögen, muss man aber nicht. Ich für meinen Teil habe sowas Ekelhaftes noch nicht gelesen. Allerdings muss ich auch zugeben, dass sich eine gewisse Sensationsgier über die wenigen Seiten entwickelt hat, wozu Tenzil noch fähig ist. Vielleicht ist das noch am ehesten mit einem Wettessen zu vergleichen. Völlig unnötig und bekloppt, aber es gibt immer wieder Leute, die sowas machen und welche, die dabei zuschauen …
FAZIT: WEDER FISCH, NOCH FLEISCH, NOCH GEIST
Im Gesamten betrachtet ist diese Geschichtensammlung wirklich sehr abwechslungsreich, bespielt zahlreiche Aspekte, die einem zu Halloween so einfallen, kann dadurch aber auch niemandem direkt empfohlen werden. Eine Gruselgeschichte wird von einer banalen Zombiestory verfolgt, während die charmante Kurzgeschichte schon in den Startlöchern steht und die Gehaltvolle mit den Augen rollt.

Hier ist für jeden eine Geschichte dabei, da bin ich mir sicher. Wem allerdings die Erwartungshaltung innewohnt, mit DC HORROR – GRUSELGESCHICHTEN wirklich eine Sammlung durchgängig guter Gruselgeschichten zu bekommen, muss sich zuerst fragen, welche Art von Horror und Grusel persönlich bevorzugt wird. Denn hier stecken eine Menge Gore-Elemente drin, die ich nicht erwartet hatte. Eine dichte Atmosphäre gibt es hingegen selten. Die feste Konstante in diesem Paperback ist ein gewisser zynischer Humor und der rettet das Ganze auch aus dem Mittelmaß.
BEWERTUNG
Durch die abwechslungsreiche Reise, deren Begleiter stets eine Prise makabrer Witz gewesen ist, muss man DC HORROR – GRUSELGESCHICHTEN zumindest den Anspruch attestieren, gefallen zu wollen und das auch zu können. Für vergleichsweise günstige 15 Euro bekommt man hier einen skurrilen Querschnitt, der mich überwiegend gut unterhalten hat. Nicht der ganz große Wurf, aber eine Reise zu Halloween wert. Von mir gibt es drei von fünf Bat-Heads! Bei Panini ist das Soft- und Hardcover auch noch zu haben. In diesem Sinne wünsche ich frohes Gruseln und vergesst nicht: Rückt Süßes raus, sonst spukt’s im Haus!




3 von 5 Bat-Heads

EINZELWERTUNG IM ÜBERBLICK
ICH LIEBE JEDEN TEIL VON DIR – 3,5
OHNE TITEL – 0,5
PUPPENSPIELER – 4
ABERGLÄUBIGES PACK – 2
DAS MORGEN-GRAUEN – 3,5
SIE BRÜTEN WAS AUS – 4,5
DER DIAMANT, DER NIMMT – 3
EINE FRAGE VON LEBEN UND UNTOT – 4,5
Weitere Highlights unter der DC HORROR-Flagge findet ihr im Übrigen hier:






