Fr. 13. Juni 2025

Review: Batman Detective Comics Paperback 5: „DIE SIEBEN“

Heute müssen wir mal tief in die künstlerischen Abgründe der Kreativität blicken. Ernsthaft: Was soll das?

©Panini Comics Deutschland

Nach dem durchwachsenen Start und der durchaus gelungenen Nachbearbeitung des eigenen Batman-Runs von Autorin Mariko Tamaki habe ich das abschließende Paperback zu ihrer Erzählung etwas gemieden. Zu hoch erschien mir das Risiko, eine ihrer weniger guten Arbeiten lesen zu müssen. Gerne hätte ich sie mit DER TURM VON ARKHAM in positiver und spannender Erinnerung behalten.

Aber nun war es dann doch soweit und ich habe gezielt meinem Comicladen des Vertrauens einen Besuch abgestattet. Die Neugierde hatte gesiegt. In welche kreativen Abgründe wir mit DIE SIEBEN schauen müssen, erfahrt ihr in der folgenden Review.

©DC Comics

So viel sei verraten: Von Tamakis dreiteiligen Abschluss sollte man nicht viel erwarten. Sie versucht mal wieder eine Menge, aber in den drei Kapiteln steckt sogar deutlich weniger Inhalt als ich befürchtet hatte. Ob es sich dabei um berechtigte Kritik oder eine Rage-View handelt, muss jeder für sich entscheiden.

Damit dieses Paperback überhaupt die Bezeichnung eines Sammelbandes verdient, hat Panini Comics noch drei weitere Geschichten abgedruckt. Dieser Schachzug sollte sich als Rettungsanker herausstellen. Aber der Reihe nach …

Ohne nochmals viel zu erklären, sollte man lediglich wissen, dass Bruce Wayne kein schicker Bursche mit bodenlos gefüllten Portemonnaie ist, sondern in dem weitreichenden Verlauf der Geschichte sein Vermögen zu großen Teilen verloren hat. Den vollständigen Werdegang habe ich mit Marian in der BatCast Folge #180 im Rahmen der THE BAT, THE BOOKS AND THE UGLY-Reihe besprochen.

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Nun sind wir an einer Stelle angekommen, an der der Riddler einen Radiosender und später auch Fernsehsender mit allerlei Nonsense für Gotham verbreitet. Sein Auftreten erinnert dabei eher an den englischen Dandy-Stil und kaschiert zumindest optisch seine Nutzlosigkeit für den Plot. Denn inhaltlich liefert der Riddler nicht einmal oberflächlich einen Mehrwert.

Seine Rätsel sind eine dämliche Zumutung und versprühen nicht einmal annähernd den Intellekt und die damit verbundene Doppeldeutigkeit, die man von diesem Charakter durchaus erwarten darf.

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In all seinen Aussagen verhält sich Riddler anstandslos plakativ und wurde mit einer Attitüde ausgestattet, die man in dieser abgeflachten Selbstdarstellung wohl nur auf Dubai in einschlägigen Social Media-Kanälen finden würde. Sollte es sich hierbei um einen Meta-Kommentar von Tamaki zu den Risiken digitalisierter Selbstdarstellung handeln, fehlt es leider an einer kritischen Ebene.

Die angestachelte Gothamer Bevölkerung erledigt dann vermeintlich freiwillig Morde und Anschläge. Als dann jedoch das eigentliche Ziel hinter den schweren Straftaten offenbart wird, wurde es auch mir klar: Das ist ein ganz großer Mist.

Die Autorinnen Mariko Tamaki und Nadia Shammas haben gemeinsam eine völlig unnötig verworrene und unglaubwürdige Geschichte fabriziert, die dazu auch noch gähnend langweilig ist.

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Die dargelegten Konflikte gab es so oder so ähnlich schon mehrfach in anderen Ausgaben. Das „kreative“ Duo ist sogar so einfallsarm, dass man sich darauf beschränkt die eigene Arbeit aus DER TURM VON ARKHAM zu zitieren. Es werden sogar Handlungsstränge einfach reproduziert. Hier schwang wohl die Hoffnung mit, dass das, was im Arkham Turm funktioniert hat, auch in gekürzter Form die Leserschaft zufriedenstellen wird. Kleiner Spoiler: Nein! Tut es nicht!

Das Schlimmste ist meiner Meinung nach nicht mal zwangsläufig die überaus miserabel geschriebene Geschichte, sondern die extrem inkompetente Darstellung von Batman. Zu keiner Zeit hat er auch nur eine Ahnung von dem, was mir als interessierten Leser Seite für Seite offensichtlich ins Gesicht geschmissen wird. Nie verfolgt er eine Spur konsequent weiter.

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Er findet keine Verbindung zwischen den einzelnen Täterpersonen: Kann er ja übermorgen nochmal probieren. Ein Bombenanschlag im Büro aus einem Mülleimer ist schon seltsam: Was kümmert ihn die Spurensuche? Alles läuft ungelöst den Bach runter. Aber wenn dann mal eine attraktive Rothaarige mit den Augen zwinkert: Hold my bat-beer?

Es ist wirklich nicht zu fassen. In einem Panel hat Bruce offensichtliches Misstrauen einer Person gegenüber und wir sehen, wie er unbemerkt an ihrem Fenster hängt, um ein Telefonat zu belauschen. NEIN! Haste gedacht! Eben nicht! Der hängt dort wirklich nur so. Der nimmt keine weiterführenden Ermittlungen auf oder hört das Gespräch mit. In diesem Moment ist Batman tatsächlich nur ein perverser Stalker im Latexanzug an einem Fenster.

Was Tamaki im letzten Paperback auf knapp 300 Seiten erzählt hat, war wirklich gut. In DIE SIEBEN funktioniert es aber aufgrund der Kürze schon mal gar nicht. Alles ist zu überladen. Es gibt eine Vielzahl von Nebenfiguren, wie Deb Donovans Tochter, einer komplett fehlplatzierten Talia, eine unglaubwürdige reingequetschte neue Romanze und das alles zusätzlich zu den vielen Opfer- und Täterpersonen, die der Riddler zu verantworten hat. Natürlich kann Tamaki nicht allen in drei Kapiteln gerecht werden. Aber warum stellt sie sich überhaupt erst diese Aufgabe?

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Der fehlende Fokus hat zur Folge, dass mir alle Morde in Gotham tatsächlich egal geworden sind. Woher hätte ich auch die Zeit nehmen sollten mit den Figuren mitzufiebern, wenn der nötige Raum dafür unterschlagen UND die Charaktere sowieso schrecklich geschrieben wurden? Einige Zeilen werden den Charakteren so achtlos in den Mund gelegt, dass sie direkt aus der Hölle kommen müssen. Dass mir ein markanter Antagonist fehlt, zähle ich in die Kategorie „An der falschen Stelle gespart“.

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Ständig passiert irgendwas, was zwar behauptet, auf einen großen Showdown hinzuarbeiten, aber es am Ende eben nicht macht. Im überhetzten Finale war mir nicht mal mehr klar, wer da die eine Geisel nun eigentlich gewesen sein soll. Ich habe mir allerdings auch nicht noch einmal die Mühe gemacht, in den absolvierten Seiten zurückzublättern. Es war mir zum Schluss zu egal, weil das hier ganz grober Unfug ist.

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BIS DAS BLUT GEFRIERT war bislang mein persönlicher Tiefpunkt bei den Paperbacks. Aber das hier ist eine Frechheit, die ihresgleichen sucht und sich beim Lesen anfühlt, als müsste man über Klemmbausteine barfuß gehen: Das kann ich niemanden empfehlen.

Die kurze Geschichte GOTHAM GIRL, DURCHGEKNALLT konnte mich etwas besänftigen. Wie man allerdings vom Originaltitel INTERRUPTED zur inhaltsverzerrenden deutschen Übersetzung gekommen ist, ist mir ein Dandy-Riddler-Rätsel. Auch wenn der vielschichtige und hoch dramatische Charakter auch schon intensivere Leidensgeschichten durchleben musste, funktioniert hier einiges deutlich besser.

Es gibt eine klar fokussierte Handlung, eindeutige Konflikte, mit denen sich beschäftigt wird und eine neugierig machende Auflösung. Fertig! So einfach kann es manchmal sein. Gotham Girls übermenschliche Kräfte, die nur im Austausch gegen ihre Lebenszeit funktionieren, stellen die junge Frau immer noch vor eine Existenzkrise. Auch den Tod ihres Bruders konnte Claire Clover noch immer nicht angemessen aufarbeiten.

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Auf der Suche nach dem eigenen Sinn in der Gesellschaft, einer Daseinsberechtigung und nach menschlichen Kontakten stößt sie immer wieder an ihre Grenzen, die ihr auch von ihrer psychischen Beeinträchtigung klar aufgezeigt werden.

Depressiv und begleitet von Angststörungen schlägt sie vor Scham gleich mehrere Hilfsangebote aus. Die Autorin Sina Grace schafft einen kurzen, aber bedrückenden Einblick in die irrationale Gedankenwelt dieser traumatisierten Person. Dabei beweist Grace ein gutes Händchen für effizient gestreuten zynischen Humor, der neben all der Tragik, die Geschichte etwas auflockern kann. Lediglich David Laphams Zeichenstil möchte mir in dem Zusammenhang gar nicht gefallen.

Die beiden zusätzlich abgedruckten One-Shots sind herzerwärmende Liebesbekundungen an den Dunklen Ritter und seine Vertrauten. Beide sind jeweils mit einem eigenen Stil top von David Marquez und John Romita Jr. gezeichnet. Brian Michael Bendis führt in MEISTERKLASSE die bekanntesten Gesichter der Bat-Family mit einer Leiche zusammen. In FORE (dt. Vordergrund) bekommen wir von Kelly Sue DeConnick einen ikonischen Batman, der ein extrem guter Stratege, attraktiver Schauspieler und effiziente Kampfmaschine ist, sich aber in Golf beweisen möchte.

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Im Großen und Ganzen wird das hier vorliegende Paperback lediglich von Mariko Tamakis und Nadia Shammas grauenhafter Storyline überschattet.

Diese Dreistigkeit DIE SIEBEN in drei Akten hinterlässt ein ähnliches Gefühl wie diese vermeintlichen Kinoblockbuster, die mir ohne Herz und vor allem ohne Hirn zusammengeschustert die Lebenszeit stehlen wollen. Dank dem Zeichner Ivan Reis sieht das natürlich hervorragend aus, aber einen guten Batman-Comic macht nun mal mehr aus als tolle Bilder. Und da schmerzt es mich, dass Ivan Reis sein Talent für eine so schauderhafte Aneinanderreihung von Nichtigkeiten hergeben musste. Das scheint auch Panini bemerkt zu haben und hat die besagten zwei One-Shots zur numerischen Weiterführung noch oben drauf gepackt. Dafür hat man keine Mühen gescheut, ist über dreißig Hefte zurückgegangen und hat diese zwei Jahre älteren Storys noch einmal ausgegraben.

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Die titelgebende Geschichte dieses Paperbacks DIE SIEBEN ist das schlechteste Skript, das ich seit langem gelesen habe. Wenn es nicht so unsagbar charakterfremd und schlecht konstruiert wäre, wäre es ja immerhin egal. Aber so ist der Abschluss von Tamakis Run ein großes Ärgernis, auf das ich gern verzichtet hätte. Alles was danach in diesem Sammelband zu finden ist, ist stabil unterhaltsam. Da ist von bedrückend, humorvoll und einfach nur cool alles dabei.

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Wer es also über die erste Geschichte schafft, wird durchaus belohnt. Manchmal muss es erst richtig weh tun, bis es besser werden kann. Zähneknirschend – weil die Hälfte des Paperbacks wirklich unterirdisch schlecht geschrieben ist – kann ich trotz der guten Einzelgeschichten nicht mehr als zwei Bat-Heads geben. Dieser geistige Blick in die Kanalisation Gothams hat sich einfach zu lang und unbefriedigend gezogen.

Zu haben gibt es das Gesamtpaket natürlich bei Panini Comics Deutschland oder eurem Comicladen des Vertrauens.


2 von 5 Bat-Heads

Hardcover©Panini Comics Deutschland
Visual Noise
Visual Noise
“You wanna get nuts? Come on! Let’s get nuts!” – Bruce Wayne (1989) / Lego Batman (2017) / Batman (2023)

1 Kommentar

  1. @Gerd@Marian Ihr könntet ja mal was über Steve Englehart bringen. Immerhin hat er 1986 ein Drehbuch für einen Batman Film geschrieben, Night of the stalker und Strange Apparitions geschrieben. Ausserdem West Coast Avengers (yay Moon Knight). Ziemlich interessanter Typ.

    @Marian@Henning Wie wäre es nach Riddler und Two Face mit Absolut Mr Freeze oder Absolut Bane?

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