The Suicide Squad – The Review

Am Anfang war Johnny Cashs „Folsom Prison Bluesund genau nach 2 Minuten macht der Regisseur dem geneigten Zuschauer klar, dass dies kein normaler Film sein wird, sondern das lebendig gewordene Äquivalent zu einem Drogentrip.

Vorweg eine kleine Warnung: Dieser erste Absatz enthält milde Spoiler, die aber wichtig sind, um diesen Review den nötigen Drive zu geben. Obwohl eigentlich nichts über die eigentliche Handlung verraten wird, empfehle ich allen Lesern, die absolut gar nichts wissen wollen, sofort zum 2. Absatz zu springen.

Nach weiteren 15 Minuten waten wir gemeinsam mit dem Filmemacher durch den wahr gewordenen feuchten Traum eines jeden Teenagers, der in den 80er-Jahren mit italienischen Trash-Horrorfilmen groß geworden ist. Zu diesem Zeitpunkt wurden hunderte Liter Blut vergossen, dutzende Knochen gebrochen, Kehlen aufgeschlitzt und Menschen bis zur Unkenntlichkeit zerfetzt. Und nein, nicht einmal blendet die Kamera dezent weg, ganz im Gegenteil. Sie fängt jedes noch so kleines Stückchen menschlicher Überreste mit großem Vergnügen ein.

Die ersten 15 Minuten von „The Suicide Squad“ wirken wie ein einziger, großer Befreiungsschlag von James Gunn. Man könnte fast meinen, er entledigt sich des „family friendly“-Contents, der ihm von Marvel/Disney für seine „Guardians of the Galaxy“ Filme auferlegt wurde. Mit Gewaltexzessen und galligem Humor besinnt sich James Gunn auf seine Anfänge bei Troma Pictures zurück, wo er Drehbücher zu Trash-Klassikern wie „Tromeo und Juliett“ verfasste. Wenn man diesen Anfang von Wahnsinn mit heiserem Lachen überstanden hat, wenn man denkt: Was soll jetzt noch kommen? Dann beginnt James Gunn seine Geschichte zu erzählen …

© Warner Bros.

Aber drehen wir ein wenig das Rad zurück. 2016 kam der erste „Suicide Squad“-Film von David Ayer in die Kinos. Obwohl das Box-Office stimmte, waren sowohl Kritiker wie auch Fans nicht zufrieden mit dem Film. Nach und nach kamen immer weitere Details zur Produktion des Filmes ans Tageslicht, bei denen schnell klar wurde, dass David Ayer kaum die wirkliche Kontrolle über den Film hatte. Selbst den Final Cut verwehrte man ihm und ließ den Film von dem Studio schneiden, das auch die Trailer zu dem Film schnitt. Eine mögliche Fortsetzung des Filmes schien daher in weiter Ferne.

2018 kam es dann bei Disney/Marvel zu einem kleinen Eklat. Der Erfolgsregisseur, der hinter den „Guardians of the Galaxy“-Filmen stand, James Gunn, wurde überraschend wegen einiger uralter geschmackloser Witze gefeuert. Warner Brothers nutzte dies sofort aus und engagierten Gunn nur wenige Tage nach dem Rauswurf und boten ihm an, ein DC-Projekt seiner Wahl zu realisieren. Und überraschenderweise entschied sich Gunn für „Suicide Squad“.

© Warner Bros.

Gunn machte von Anfang an klar, dass er keine Fortsetzung inszenieren würde, sondern seine eigene Vision entwerfen und drehen würde. Seitens Warner Brothers bekam er absolut freie Hand und die vollständige Kontrolle über das Projekt. Seitdem wird der Film in Fankreisen gerne als Soft Reboot angesehen. Letztlich ist er das alles nicht. Weder Fortsetzung noch Reboot. Es ist eine eigenständige Geschichte, in der zufälligerweise einige Figuren mitspielen, die man bereits vorher gesehen hat. Es gibt auch keinerlei Berührungspunkte zum alten DCEU oder auch zum zukünftigen neuen DC Multiversum. Zudem wäre es unfair, James Gunns Film mit dem von David Ayer zu vergleichen, denn wie bereits oben vermerkt, hatte James Gunn alle Freiheiten, während David Ayer diese nicht gewährt wurden.

Kommen wir zur Handlung: In dem nicht näher beschriebenen mittelamerikanischen Inselstaat Corto Maltese läuft etwas gewaltig schief. So gewaltig, dass der US-Regierung nichts anderes übrig bleibt, als die Task Force X einzusetzen, um dieses Problem zu lösen. Und wie der Titel schon sagt, begibt sich die Task Force X auf eine Selbstmordmission. Das war es. Es gibt keine weitere Nebenhandlung, kein komplexes Beziehungsgeflecht, es gibt nur die Mission.

In einem ersten First Look-Special auf dem DC Fandome Event im letzten Jahr erwähnte James Gunn seine Vorliebe für den Film „Das dreckige Dutzend“ von Robert Aldrich. Neben diesem Film standen sicherlich auch weitere Filme dieser Unterart des Kriegsfilms Pate: „Die Kanonen von Navarone“, „Die Wildgänse kommen“ aber auch Western wie „Die glorreichen Sieben“. Diese Filme haben alle eins gemeinsam, sie nehmen eine Handvoll Figuren, die mit einer unmöglichen oder garantiert tödlichen Mission betreut werden. Die Parallelen zu „Das dreckige Dutzend“ sind besonders auffallend, da auch in diesem Film Verbrecher mit der Mission betreut wurden und deren einzige Belohnung eine Milderung des Strafmaßes oder Begnadigung sein sollte.

© Warner Bros.

Diese Art von Filmen steht und fällt vor allen Dingen mit der Besetzung und wie diese inszeniert wird. Die Schwierigkeit besteht darin, dem Zuschauer mindestens eine erkennbare Identifikationsfigur zu präsentieren, der das Team und damit den Film zusammenhält. Zudem muss jede weitere Figur dem Zuschauer näher gebracht werden. Idris Elba ist als Bloodsport der Dreh und Angelpunkt des Films. Gunn gelingt es mit nur wenigen Szenen dem Charakter Seele zu geben und man fiebert von Anfang an mit ihm mit.

Die bekannten Figuren aus dem ersten Film werden teilweise etwas anders inszeniert. Meiner Auffassung nach liefert Margot Robbie hier ihre beste Leistung als Harley Quinn ab. Es gibt diesen einen Moment, wo sich in einem Sekundenbruchteil etwas in ihren Augen verändert und man zum ersten Mal wirklich ein Gefühl dafür bekommt, wie irre, unberechenbar und gefährlich diese Figur tatsächlich ist. Viola Davis als Amanda Waller ist diesmal nicht nur knallhart, sondern eine wirklich diabolische Figur.

James Gunn schafft es, dass jedes Teammitglied seine Szene bekommt, den einen Moment, den man noch in Monaten mit seinen Freunden diskutiert, wenn man über den Film spricht. Und er schafft es, allen Figuren etwas Menschliches zu geben. Selbst bei einer so abstrusen Figur wie King Shark schnürt sich einem plötzlich die Kehle zusammen, wenn dieser Moment kommt. Mit den „Guardians of the Galaxy“-Filmen hat James Gunn schon bewiesen, dass er Ensemble-Filme inszenieren kann. Bei „The Suicide Squad“ hat er diese Fähigkeit zur Meisterschaft perfektioniert. Jede Szene in diesem Film atmet förmlich die Hingabe und Liebe, die Gunn für die Außenseiter der Gesellschaft empfindet.

© Warner Bros.

Dadurch wirkt der Film trotz seiner modernen Inszenierung fast schon wie aus der Zeit gefallen. James Gunn arbeitet mit integrierten Kapitelüberschriften, springt bei Bedarf in der Zeit vor und zurück, aber schafft es immer, dass man als Zuschauer nicht den Überblick verliert. Die Action wird spektakulär und übersichtlich inszeniert. Gunn verzichtet auf ewige Schnittgewitter, sondern konzentriert sich auf das wesentliche.

Während der Film mit seiner Geschichte immer weiter voranschreitet, ändert sich langsam die Tonalität des Films. James Gunn hat in einem Interview angemerkt, dass sich die Zuschauer nicht zu sehr an die Figuren gewöhnen sollten und damit hat er verdammt noch mal recht. Ohne genau zu bemerken, wann es geschehen ist, hat der Film einen ernsten und tödlichen Unterton bekommen. Und wenn dieser Zeitpunkt gekommen ist, dann leitet James Gunn das spektakuläre Finale ein.

© Warner Bros.

Was ist die abschließende Wertung zu diesem Film? „The Suicide Squad“ ist ein Film, der mich daran erinnert hat, was wirkliches Blockbusterkino ausmacht. Ein Film, den man zusammen mit Freunden sieht. Ein Film, bei dem man lacht und weint. Ein Film, über den man nach dem Kinobesuch noch lange mit seinen Freunden spricht. Es ist gefühlt seit Jahren der erste Blockbuster, der auch eine Seele besitzt. Und es ist wahrscheinlich der am besten inszenierte DC-Film seit „The Dark Knight“.

Ja, der Film hat platte Gags, die nicht immer zünden, er hat Kalauer und pflegt oft einen wirklich schlechten Geschmack. Er ist blutrünstig, gewalttätig und schrammt oft nur haarscharf am Ekel vorbei. Aber man merkt nicht einmal, dass der Film 136 Minuten geht. Nie hat man das Gefühl, dass einem das alles bekannt vorkommt. Ja, er mag vielleicht Fehler haben, aber es sind die Fehler, die etwas lebendig wirken lassen.

Der Film ist nur eines: Er ist wunderbar.

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Grumpy Old Man, Mediengestalter Bild- und Ton, Film- und Superheldenfan seitdem ich laufen kann. Begeisterter Hobbypodcaster bei www.batmannews.de.

6 Kommentare

  1. Patrick sagt:

    Da bekommt man ja Gänsehaut, wenn man das liest. Meine Erwartungen an den Film waren aufgrund der Trailer bei 0. Jetzt sind sie von 0 auf 100 in 1,5 Sekunden. Ich hoffe allerdings, der/die Verfasserin ist kein Marvel-Fan. Die Trailer stinken nach Marvel und ich ertrage Marvel nicht mehr.

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  2. Avatar-Foto Visual Noise sagt:

    Top! Das wird ein obszönes Fest! Ick freu mir wie bolle! Staro koooommt!!!!!!

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  3. Laschinho sagt:

    Anfangs war ich nur leicht interessiert wegen David Ayer (‚Guardians of the Galaxy‘ finde ich gut),Margot Robbie (finde ich prima als Harley Quinn) und Idris Elba.
    Verschiedene Reviews (ohne Spoiler) haben mir den Film genauso schmackhaft gemacht wie die hier vorliegende Bewertung.
    Danke sehr!!!

    • Avatar-Foto Visual Noise sagt:

      Du meintest bestimt James Gunn… David Ayer hat weniger beliebte Filme gemacht!? ^^“ Obwohl HERZ AUS STAHL wohl ziemlich gut ankam! ^^

  4. WruceBayne sagt:

    Gut geschrieben von Gerd! Eigentlich hatte nicht vor, mir diesen Film im Kino anzuschauen und komplett das Interesse an der Suicide Squad verloren, aber nach der Review gehe ich definitiv doch ins Kino.

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  5. MARIUS sagt:

    Habe den Film heute gesehen und bin sehr positiv überrascht bis schwer begeistert. Gerd hat den Film sehr gut zusammengefasst. Alle Charaktere sind hervorragend inszeniert und Harley Quinn überragt alles. Das ist Harley, wir ich sie aus den Comics kenne.

    Der Film fühlt sich an wie ein Comic im realem Bewegtbildgewand. Warner + DC: Bitte weiter so!!!

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