„Some people will always want to ruin what is beautiful.”
Titel: JOKER: Killer Smile
Autor: Jeff Lemire
Zeichner: Andrea Sorrentino
Farben: Jordie Bellaire
Verlag: Panini
Seiten: 156
Preis: 29,- € (Hardcover)
Im vergangenen Jahr konnte man schon mal den Überblick verlieren über die mannigfaltigen Joker-Bücher, die DC auf den Markt warf. Einer der Titel, der v. a. gegen die vollmundig angekündigten „Three Jokers“-Comics und den „Joker War“ etwas aus dem Rampenlicht fiel, war der Dreiteiler „Joker: Killer Smile“. Beachtlich war das insoweit, da er mit einem verdienten Duo in der Comic-Branche aufwartete: Jeff Lemire und Andrea Sorrentino. Beide wurden zuletzt mit dem Eisner Award für ihre Serie „Gideon Falls“* ausgezeichnet. Eines ihrer bekanntesten Werke dürfte aber wohl „Old Man Logan” sein (bei Panini oder Amazon*) sein.
Der Kanadier Lemire hat in der Vergangenheit schon mehrfach bewiesen, dass er ein Händchen für düstere Stoffe und die Niederungen der menschlichen Seele hat. Im Grunde wurde es höchste Zeit, dass er sich einmal dem Clownprinz des Verbrechens widmet.
Inhalt und Wertung
Und das geschieht zu Beginn so unschuldig und vor allem so gewöhnlich wie nur irgendmöglich. Auf den ersten Seiten lässt uns Lemire einen Blick auf die Motivation des Jokers werfen und darauf, wie er sich selbst sieht. Oder eben auch nicht. All das könnte auch eine Lüge sein. So zumindest bespricht er es mit dem Psychiater Dr. Ben Arnell vor dem Glas seiner Zelle. Als der Doktor dem Joker schließlich eröffnet, dass er hier sei, um ihn zu heilen, bricht der Clown in schallendes Gelächter aus und als Leser möchte man es ihm gleichtun.
Schnell blitzen die Erinnerungen an Harleen Quinzels fruchtlose Therapieversuche auf, an die vielen anderen Psychotherapeuten und Doktoren, die der Joker verlacht hat und denen Batman und die Polizei immer gesagt haben: Lasst es! Es hat keinen Sinn. Dieser Mensch ist nicht heilbar.
Während man sich als Leser schon langweilen will, lehnt sich der Joker lächelnd zurück und beginnt sein Spiel. Während Dr. Arnell noch glaubt, er könne das Unwahrscheinliche erreichen (und ihm seine Chefin – stellvertretend für uns – von genau dieser Vorstellung abzuraten versucht); während er noch glaubt, er habe die Kontrolle, wütet der mörderische Clown bereits in seinem Geist.
Was für den erfahrenen Jokerkenner zunächst abgedroschen und dröge klingen mag, entpuppt sich als eine erstaunlich dichte Erzählung, die einen lange im Ungewissen lässt, was wahr oder unwahr ist und in welche Richtung sich das Ganze entwickelt. Jeff Lemire erzeugt einen Sog, der einen ganz behutsam in den Verlauf der Geschichte zieht. Wenn man sich dem hingeben mag, dürfte sich bei den meisten Lesern ein ansteigendes Unbehagen einstellen. Es ist der Horror des menschlichen Geistes selbst, der einem hier präsentiert wird und das auf so einnehmende Weise, dass Bilder und Geschichte noch einige Zeit nachhallen.
Lemire bringt es geschickt zustande, den Leser durch seine Figuren mit einzubeziehen. Anfangs will man abwinken und dem guten Doktor Arnell raten, er solle doch die Finger von diesem hoffnungslosen Fall lassen. Doch wie Arnell selbst, ist man schnell wieder fasziniert von Jokers Wirkmacht und dessen destruktivem Wesen. Man kann fast gar nicht anders, als ergründen zu wollen, was da vor sich geht und schon tappt man – gemeinsam mit dem Psychiater – in die Falle.
Andrea Sorrentinos künstlerische Ausgestaltung unterstützt Lemires Erzählstil dabei kongenial. In Paninis großformatigem Sammelband kommen die Zeichnungen auch hervorragend zur Geltung.
Sorrentino und Lemire beweisen beide großes Talent dafür, einfache Sprache und Bilder zu nutzen und wenn es darauf ankommt, mit Erwartungen zu brechen oder das Gesamtbild größer zu ziehen. Beide unterwerfen sich keinen einengenden Konventionen, sondern folgen bedingungslos ihrer Geschichte. Dabei wirkt all das aus sich selbst heraus schlüssig und fließend. Die Seitengestaltung ist sehr durchdacht – die Splashpages, der Bruch bei der Panelaufteilung, unterschiedliche Stile, wenn sie notwendig werden; da hat man Einiges zu entdecken. Gleichzeitig lädt der Stil dazu ein, über die Seiten hinwegzufliegen. Zu fesselnd ist das Gesamtwerk.
Im vorliegenden Band nun hat Panini nicht nur den dreiteiligen Psychothriller „Joker: Killer Smile“ zusammengefasst, sondern gleich noch den nachfolgenden One-Shot „Batman: Smile Killer“ beigefügt. Dieser verpasst der Killer Smile-Miniserie eine ganze neue Wendung. Punkt. Mehr zu sagen, würde die Lesefreude trüben.
Aber – Oh! mein! Gott! – Lemire und Sorrentino laufen auch hier zur Höchstform auf und so, wie sich die ganze Story dreht, geht es auch bald Kopf und Magen des Lesers.
„Batman: Smile Killer“ ist klug geschrieben und toll gestaltet. Ein sehr schöner Zug von Panini, diesen One-Shot hier gleich mit unterzubringen. Ich empfehle die drei Teile zu „Joker: Killer Smile“ zu beenden, einen Tag oder länger zu warten, bis sich die Eindrücke gesetzt haben und sich dann abschließend „Batman: Smile Killer“ zu Gemüte zu führen.
Gleichermaßen empfehle ich, eingangs auch auf den Einleitungstext zu verzichten, da dieser eine geringe Spoilergefahr enthält. Zudem gibt Panini-Redakteur Christian Endres wieder Mal seinem Drang nach, psychisch kranke Menschen und entsprechende Behandlungseinrichtungen zu stigmatisieren und zu dehumanisieren, was abermals im krassen Widerspruch zum Werk selbst steht.
Zuletzt sei noch erwähnt, dass es sich bei beiden enthaltenen Comicstorys nicht um klassische Batman- ja nicht einmal wirkliche Joker-Geschichten handelt; selbst wenn es Anspielungen auf die Joker-Historie gibt und der Clown hie und da an Heath Ledgers Darstellung erinnert. Im ersten Teil folgen wir im Wesentlichen dem Erleben des Dr. Ben Arnell und zum zweiten Teil schweige ich mich weiterhin aus.
Dennoch: der Joker ist omnipräsent, im gesamten Band, fast auf jeder Seite. Aber nicht als Person, sondern als eine Naturgewalt, als eine Seuche, die zunächst schleichend und bald mit exponentiell ansteigender Geschwindigkeit auf eine explosionsartige Eskalation bei den Infizierten zusteuert. Ein Grusel, der noch lange nachwirkt.
MARIAN MEINT
Der vorliegende Band bietet auf den ersten Blick eine Geschichte, die man so oder so ähnlich schon gelesen hat. Wenn man sich aber darauf einlässt, birgt sie einer der wahrscheinlich bestechendsten Auseinandersetzung mit dem Joker der letzten Jahre. Dafür benötigt das Kreativteam weder große Gesten, noch muss es sich über Gebühr im Jokerfundus der Comic-geschichte bedienen. Scheinbar mühelos beschreibt Jeff Lemire das destruktive Wirken des Jokers und geht am Ende noch weit darüber hinaus. Mit leisen Tönen wird dem Leser die bestialische Essenz des Jokers vor Augen geführt, der hier ganz ohne Action, ohne Bombast viel zerstörerischer wirkt, als alle anderen Feinde der Fledermaus zusammen. „Joker: Killer Smile“ (mit dem gleichfalls enthaltenen „Batman: Smile Killer“) ist ein hervorragender Psychothriller, der die Grenzen von Batmans Welt außerordentlich auslotet, ohne sich in deren Details vertiefen zu müssen. Die Einladung an den Leser lautet, sich durchaus auch mit der eigenen Faszination zum Joker auseinanderzusetzen.
Aber Vorsicht: Bei diesem Werk blickt der Abgrund schon in einen selbst hinein, bevor man sich überhaupt dem Rand genähert hat. Friedrich Nietzsche hätte wohl eine Kaufempfehlung ausgesprochen.
Bei Panini liegt der Band im normalen Hardcover und in einer Variant-Edition vor.
Joker: Killer Smile (Hardcover)
Joker: Killer Smile Variant (Hardcover)
Eine LESEPROBE von Panini gibt es hier.
DISCLAIMER
Für die vorliegende Review wurde uns ein Rezensionsexemplar von Panini Comics Deutschland zur Verfügung gestellt. Dafür vielen Dank!
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Sorrentino und Lemire gefallen mir persönlich sehr gut, deren green arrow run war das beste der Neuzeit um den Emerald archer.
Die beiden harmonieren wirklich hervorragend miteinander. Nach den ersten Previews zu dieser Miniserie dachte ich, dass Sorrentinos Stil mich nicht dabeihalten wird. Aber das passt alles wie die Faust aufs Auge.
Was ist mit dem GA-Run von Kevin Smith?
Also wenn du den Quiver Run von ihm meinst, ich persönlich mag ja gerade bei Batman und Green Arrow wenn die Comics „gegrounded“ sind und irgendwo auf nem Street level bleiben, sprich Detektiv Geschichten, Drama aber bei diesen Helden brauche ich keine Wiedergeburten, Zeitreisen, Ausflüge ins All etc.
Aber ansonsten hat Kevin Smith das auch sehr gut gemacht.
@FuH – Ja genau. Den Quiver-Run meinte ich 🙂
Das klingt doch mal sehr interessant! Auf diese Veröffentlichung habe ich schon gewartet! Danke für den Einblick.
Auf diesen Comic wurde ja bereits im BatCast hingewiesen… Bei meinem letzten Comiceinkauf habe ich diesen allerdings gemieden,weil ich das Cover so abstoßend finde…
Gut ausführlicher zu wissen,dass der Inhalt stimmt und es ein Variant-Cover gibt! ^^
Da stimme ich dir voll zu. Das Cover finde ich furchtbar hässlich. Werde es aber dennoch kaufen.
Richtig schlimm,oder!? So ne Mischung aus Ahegao und obsessiven Gore!? Wer das Cover auch nicht mag,sollte diese Wörter nicht nachschlagen… Aber es gibt ja eine andere Variante!
Zudem ist Stricken hoch angesagt und warum sollte man sich nicht einen guten Comic einstricken lassen!? ^^
Direkt ahegao gegoogelt. Oh man. ^^
Ehrlicherweise habe ich den Comic auch immer mit der Vorderseite auf den Tisch gelegt 🙂 Ich hatte bei den News immer nur die Sorrentino-Cover vor Augen und war dann erschrocken, als ich den Band zu Hause ausgepackt hatte 😀
Deine Reviews sind top! Ich werde ihn kaufen, obwohl ich eine gewisse Joker Müdigkeit verspüre.
Mein Comicstapel wächst wieder. Ein gutes Review.
@Fleck – Danke. Der Kauf wird es wert sein 🙂
@Fleck & OMW: Meldet hier ruhig mal zurück, wie euch der Band gefallen hat.
Ich bin beruflich gerade sehr eingespannt, werde ihn mir aber spätestens im März zu Gemüte führen!
Oje. Kein Druck. Der Beitrag wird ja hier eh so lange stehen bleiben, bis Jeff Bezos das Internet ausmacht.
Und verschlungen… Danke für den Tipp.
Und, hat es gemundet?! 😉
War definitiv ein Genuss:) U.a. die vielen unterschiedlichen Zeichnungen/ optischen Darstellungen vom Joker sind absolut top.
Sehr schön ?
Ich hab den Comic auch mittlerweile gelesen. Und er hat mich überwältigt wow wie genial ist der Comic bitte. Nach Three Jokers die zweite Empfehlung für einen guten Joker Comic von Marian.Man kann auf Marians Urteil vertrauen ?
Danke für den Tipp, Marian. Ich habe die Interpretation des Jokers genossen, nach der großen Enttäuschung von „Three Jokers“, war das für mich wieder ein spannender Ansatz für den Joker. Vor allem im Zusammenspiel mit HARLEEN hat man ja mittlerweile ein gutes Bild, was der Joker mit seiner kranken Faszination auslösen kann. Erinnert mich hier an Ted Bundy oder Manson.
Der Zeichenstil und die Strichführung haben mir in seiner Eigensinnigkeit sehr gut gefallen, hebt sich ab vom klassischen Comicstil.
Jetzt war es das auch mal langsam mit dem Joker. 😀 Hab da langsam auch eine Fatigue für den Charakter.