Review: „DC PRIDE“

Voller Stolz präsentiert uns Panini Comics ihre bisher queerste Geschichtensammlung und gibt uns intime Einblicke zu bekannten und weniger bekannten Held*innen.

Enthaltene Titel:
DC PRIDE (2021)

Autor*in: Danny Lore, James Tynion IV, Mariko Tamaki, Sina Grace, u.a.
Künstler*in: Stephen Byrne, Nic Klein, Rex Lokus, Trung Le Ngyuen u.a.

Verlag: Panini
Seiten: ca. 148
Softcover: 19,00 €
Hardcover: 30,00 €
Status: abgeschlossene Einzelgeschichten

Erschienen am 19.07.2022

©Panini Comics Deutschland

Schon auf den ersten Seiten dieses Sammelbandes wird klar, dass es den Verantwortlichen eine Herzensangelegenheit ist, DC PRIDE unter die Leute gebracht zu haben. In zwei sehr privat anmutenden Vorworten von Marco Marcello Lupoi (europäischer Comic-Verleger) und Marc Andreyko (erfolgreicher Comic-Autor) schildern uns die beiden Herren den Mangel an Repräsentation ihrer Community.

Homosexualität habe in den 70er- und 80er-Jahren im besten Falle als Tabuthema oder eben als „freakiges“ Stilmittel herhalten müssen, Schurken noch furchteinflößender zu gestalten. Dass Diversität nun gesellschaftlich anders besprochen würde, zeige dieser Comic-Band und sei der richtige Weg. Lupoi fragt sich zudem, was wohl sein 16-jähriges Ich zu diesen Geschichten gesagt hätte, die er damals für unmöglich hielt.

Dieser Band zeigt, dass wir es alle verdienen, zu lieben und geliebt zu werden,
auch wenn wir und unsere Liebe für manche andersartig wirken.

©DC Comics

Auch wenn sich im deutschsprachigen Raum verstärkt mit den Thematiken Gendern, Gleichbehandlung, Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierungen auseinandergesetzt zu werden scheint, ist der Weg für eine normalisierende Akzeptanz noch immer weiter weg, als es nicht nur der LGBTIQ+-Community lieb wäre. Denn eine Abweichung der normativen Erwartungshaltung von Sexualität oder Geschlecht trifft immer noch verhältnismäßig oft auf Ablehnung, Herabwürdigung oder Übergriffigkeit in seinen verschiedensten Formen.*

Rassistisch, antisemitisch oder auch misogyn motivierte Gewalt, hat man sicherlich schon einmal in ihren schrecklichen Kontexten gehört und man hat eine gewisse Vorstellung dazu. Die Vorstellung von Geschlechtsidentitäten, die durch LGBTIQ+ zusammenfassend bezeichnet werden soll, ist mitunter nicht so geläufig. Ihr findet folgend eine kurze Zusammenfassung der relevantesten Begrifflichkeiten und ihre Bedeutungen.

Stark verkürzte Zusammenfassung der Begrifflichkeiten

LGBTIQ+ ist der gängige Sammelbegriff zur Einordnung verschiedener Personengruppen. Es gibt jedoch verschiedene Formen. Zum Beispiel gibt es noch die verkürzte LGBT-Variante oder dass ein * anstatt des + verwendet wird. Allerdings beziehen sich alle Varianten auf den gleichen Kontext und wollen nicht binäre Geschlechts- oder Sexualvorstellungen kenntlich machen. LGBTIQ+ steht demnach für:

Lesbian (Frauen, die auf Frauen stehen)
Gay (Männer, die auf Männer stehen)
Bisexual (Personen, die auf Frauen und Männer stehen können)
Trans (Personen, deren biologisches Geschlecht von der Geschlechtsidentität abweicht)
Inter (Personen, deren biologisches Geschlecht nicht eindeutig zuzuordnen ist)
Queer (Sammelbegriff und Bewegung für nicht normative Geschlechtsvorstellung oder Sexualpräferenzen)
+ / Plus (Eine Art Platzhalter für weitere Geschlechtsidentitäten, um Diversität zusätzlich zu verdeutlichen. Darunter können unter anderem Geschlechtsidentitäten wie Agender, Bigender und Neutrois gezählt werden, welche auch in dem Gendersternchen inbegriffen sind.)

Dieser Ansatz fußt auf der Überzeugung, dass nicht allein das biologische Geschlecht für die menschliche Geschlechtsidentität herangezogen werden sollte. Durch diese Vorstellung soll eine freiere Selbstverwirklichung ermöglicht, Diskriminierung abgebaut und Akzeptanz für andere Lebensrealitäten gefördert werden.

Die beiden Grafiken verdeutlichen die Auffassung des Zusammenwirkens verschiedener Faktoren und beschreiben die Sexualität als geschlechtsungebunden.

„Hierfür kämpfen wir.
Das Recht, in der Welt zu sein.
Sichtbar und ohne Angst.
Es wird schlechte Tage geben,
doch wir führen den Kampf für jeden weiter, der uns folgt.“

DC PRIDE beschäftigt sich mit einer speziellen Thematik, die es natürlich wert ist, dargestellt zu werden. Und so finden sich Superheld*innen aus unterschiedlichsten Geschlechts- und Sexualpräferenzspektren in diesem bisher einzigartigen Comic wieder. Vielen Dank an Panini Comics Deutschland, die diesen Comic nicht nur abgedruckt, sondern uns freundlicherweise auch als Rezensionsexemplar zugeschickt haben.

INHALT

Wenn man es komplett runterbricht, bekommen wir mit DC PRIDE zwölf Kurzgeschichten und eine nette (wenn auch verkürzte) Cover-Galerie. Jede Story ist wirklich auf wenigen Seiten beendet und nicht jede konnte mich abholen. Das liegt daran, dass jede Geschichte durchaus politisch und gesellschaftlich auch relevant, aber eben nicht immer spannend erzählt ist.

©DC Comics

Während man das Pärchen Harley Quinn und Poison Ivy schon mal erlebt haben könnte, sind Question und Dreamer wohl weniger bekannte Namen. Hinter Question verbirgt sich aktuell die lesbische Polizistin Renee Montoya des GCPD. Dreamer ist die erste Trans-Heldin im TV und wer die Supergirl-Serie nicht bis zur vierten Staffel geschaut hat, wird von ihr noch nie etwas gehört haben. Dreamer feiert im Übrigen auch in DC PRIDE ihr Comicdebüt. Dann gibt es noch die nicht binäre Flash-Inkarnation des Future State Events Jess Chambers, Lobos Tochter Crush, Aqualad und andere.

„Wir folgen denen, die für uns kämpften,
und schulden es ihnen,
aus Tagen wie diesen das Beste zu machen.
Aber wir kämpfen nicht nur.
Wir zeigen unseren Stolz.“

Neben den zwölf Kurzgeschichten und der Cover-Galerie finden sich am Ende des Sammelbandes noch ein paar für das PRIDE-Event relevante TV-Nennungen. Da werden DC-Charaktere aus dem Serien-Universum nicht nur kurz erläutert, sondern auch mit Statements ihrer Schauspieler*innen abgedruckt. So finden sich neben anderen auch Negative Man aus DOOM PATROL (gespielt von Matt Bomer), Thunder aus BLACK LIGHTNING (gespielt von Nafessa Williams), Dreamer aus der SUPERGIRL-Serie (gespielt von Nicole Maines) oder natürlich auch Batwoman aus der gleichnamigen Serie (ab Staffel 2 von Javicia Leslie gespielt). Das ist eine nette Erweiterung zu den Comics und verdeutlicht das Anliegen von DC PRIDE einmal mehr.

WORT & BILD

Während einige Geschichten eher banal wirken oder auf einen kleinen Gag hinauswollen, geben wieder andere einen möglichen Einblick in die Gefühlswelten und Situationen speziell von LGBTIQ+-Personen und ihr Bestreben nach allgemeingültiger Akzeptanz. Dieser Mix ist gut gelungen, aber ich mag es dann doch etwas ausschweifender und dramatischer.

Es sollen aber eben nicht nur negative Aspekte mit dem Zeigefinger herausgearbeitet werden. Mit Stolz werden auch kleine Geschichten des Alltags präsentiert. Warum kommt der schnellste Mensch der Welt dennoch zu seinem Date zu spät? Wie gestaltet sich ein Coming-Out? Und worauf läuft ein Thekengespräch zweier Männer eigentlich manchmal hinaus? Gespickt mit kleinen und großen Besonderheiten zieht sich die Pride-Fahne durch alle Erzählungen. Und dann wird auch allmählich klar, dass der Umstand des „Andersseins“ sich aus den Reaktionen der wirkenden Gesellschaft heraus ergibt und die DC PRIDE-Shorts überhaupt erst damit zu größerer Bedeutung finden.

Im Gesamten betrachtet, fahren alle Geschichten eher in seichten Gewässern und sollen keine tiefgreifende Aufarbeitung nach sich ziehen. Bitte nicht falsch verstehen: Hier wird ganz klar Aufklärungsarbeit betrieben, aber eben sehr niedrigschwellig. Das finde ich für den Einstieg clever und es macht neugierig. Gerade die mehrmals vorkommende Renee Montoya hat bei mir ein erneutes Interesse geweckt. Vielleicht sollte ich nochmal die GOTHAM CENTRAL-Comics lesen.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die vielen Stippvisiten bei den verschiedenen Figuren auch das Leseerlebnis trüben können. So freue ich mich natürlich besonders über das Wiedersehen mit Dreamer. Ich kenne durch die SUPERGIRL-Serie ihre Vorlieben, ihre Zweifel, ihre Kräfte und ihre Beziehungskonstellation ganz gut. Ein Pied Piper ist mir jedoch gänzlich unbekannt und bleibt es nach seinen vier Seiten wohl erstmal auch. So wird es der interessierten Leserschaft sicher auch mit anderen Charakteren gehen. Die Liebe zwischen einem intelligenten Riesenaffen und einem sprechenden Gehirn ist allerdings so schräg, dass ich gerne noch mehr zu den beiden erfahren hätte.

FAZIT

DC PRIDE stellt klar, dass es verschiedenste Formen von Lebens- und Liebesvorstellungen und gegebenenfalls klassische Erwartungshaltungen an bestimmte Rollenbilder oder Geschlechtsbezeichnungen gibt und möche somit das Verständnis von Spektren erweitern. Der Inhalt dieses Sammelbandes ist sozusagen eine Ode an die Menschlichkeit in ihren verschiedenen Facetten. Es geht um die Sensibilisierung für diese Thematik, für mehr Akzeptanz durch Repräsentation. Bewusst werden Figuren gezeigt, die für diese Thematik aus dem aufgeklärten Zeitgeist heraus geschaffen wurden. Wir finden also keine Elseworld-Varianten der populärsten Charaktere des DC-Universums, sondern bewusst gestaltete, der vermeintlichen Norm widersprechende Superheld*innen. Das Spiel mit den Geschlechtern ist schon lange keines mehr. Geschlechtsidentität als Spektrum ist Realität geworden und kann auch gern als solches benannt werden. Mit DC PRIDE wird dies ein Stück weit sichtbarer gemacht.

Hardcover©Panini Comics Deutschland

Die optisch sehr abwechslungsreichen Geschichten sind mir persönlich zu kurz. Dadurch lässt sich dieser Sammelband allerdings auch wirklich sehr entspannt lesen und bedarf keiner großen Aufmerksamkeitsspanne. Die überwiegend seichte Kost hätte an der ein oder anderen Stelle durchaus mehr Dramatik vertragen können. Zählt man noch den Kritikpunkt der gekürzten Cover-Galerie mit hinzu, wo wirklich ein paar der Aufregenderen schlichtweg nicht abgedruckt wurden, komme ich auf stolze 3 ½ Bat-Heads und bin gespannt, was uns die kommenden Jahre noch erwarten wird. DC PRIDE gibt es bei eurem Comicladen des Vertrauens oder auch bei Panini Comics in beiden Varianten zu kaufen.


3½ von 5 Bat-Heads

* Gewalt gegen LGBTIQ+-Personen

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“You wanna get nuts? Come on! Let’s get nuts!” – Bruce Wayne (1989) / Lego Batman (2017) / Batman (2023)

5 Kommentare

  1. Batboy sagt:

    Love is love. No discussion about that!

    7
  2. Avatar-Foto Batcomputer sagt:

    Hatte Kevin Conroy nicht auch eine Story zu DC Pride beigetragen? Die ist aber noch nicht in diesem Band enthalten, richtig?

    • Avatar-Foto Visual Noise sagt:

      DC PRIDE wird wohl eine fortlaufende Ansammlung werden. In der von 2021 ist der Beitrag von Kevin Conroy nicht vertreten. Aber da vertraue ich Panini, dass zeitversetzt eine Veröffentlichung des 2022er Sammelbandes folgen wird. 🙂

      • Avatar-Foto Marian sagt:

        Ist schon angekündigt, für Mai 2023 (s. Halbjahresvorschau). Für alle, die sich einfach einen DC Universe Infinite Account beschaffen können (also USA, Teile Südamerikas und GB) oder für diejenigen hierzulande, die ihn sich kompliziert beschaffen, hat DC Kevin Conroys Comic auch kostenlos digital zur Verfügung gestellt.

        2
      • Avatar-Foto Visual Noise sagt:

        @Marian Jetzt haste meinen künstlichen Spannungsbogen eingerissen. ?

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