Review: „Batman – STUMME SCHREIE“

Diese Batman-Geschichte lief lange Zeit unter dem Sonar. Nun spendiert Panini nach über zwanzig Jahren eine erschreckend gute Neuauflage.

©Panini Comics Deutschland

Unter dem Black Label hat Panini Comics Deutschland einen schwer verdaulichen, heimlichen Klassiker veröffentlicht. Und so wenige Seiten das Rezensionsexemplar auch hat – es ist schwer. Schwer verdaulich, schwerwiegend und damit auch erdrückend. Das im Jahr 1992 erschienene Werk wurde ein Jahr später mit dem Sonderpreis des Harvey Awards für hervorragende Präsentation ausgezeichnet und erlangte vor allem durch seine thematische Ausrichtung große Beachtung.

Panini setzt die (leider) zeitlose Geschichte in ein wundervolles Großformat, kann aber leider in der Druckqualität nicht ganz überzeugen. Die Bilder sind teilweise so dunkel wie ihr Inhalt. Aber darauf gehe ich später nochmal kurz ein. Trigger-Warnungen gab es damals noch nicht in der aktuellen Form, wären aber für STUMME SCHREIE definitiv angeraten.

Diese Review halte ich ungewöhnlich kurz. Obwohl der Inhalt auch Jahrzehnte nach seiner originalen Veröffentlichung schockierend bedeutend bleibt und eine ganze Abhandlung rechtfertigen würde. Wir müssen über Gewalt gegenüber Kindern sprechen. Diese Geschichte richtet sich eindeutig an Erwachsene und illustriert ein abscheuliches Unrecht und deren möglichen Folgen!

©DC Comics

Die Geschichte beginnt mit einem Mord an einer Familie, die grausam und imposant von Scott Hampton bebildert wird. Zu keiner Zeit wird sich den schrecklichen Morden mit einer Sensationsgier gewidmet, aber die eindrücklichen Szenarien sind so geschickt arrangiert, dass sie Unbehagen auslösen. Übelkeit. Unverständnis. Ich kann mit James Gordon mitfühlen, der sich an den Tatort begibt.

Immer wieder zieht mich Autor Archie Goodwin in eine Mischung aus Ratlosigkeit und Wut, nimmt mich dabei an die Hand und geht mit mir noch einen Schritt weiter. Ein Hinweis für Batman, ein Hinweis für das Gotham Police Department – ein Hinweis für mich als Lesenden, der die Grausamkeit nicht glauben kann.

©DC Comics

Die Morde an Familien häufen sich und werden auch Teil eines faszinierenden Einblicks in die Lebenswelt von Batman und Gordon. Goodwin geht später sogar noch weiter und verdeutlicht, wie tragische Ereignisse weiteres Unheil formen können. Dabei bedient er sich der Entstehungsgeschichte von Bruce Wayne zu Batman, der seine Traumata unter einer Maske zu verdrängen versucht. Und er erlaubt sich eine kritische Zeichnung von James Gordon, der durch seine Obsession als Commissioner seine Familie vernachlässigt und noch ganz eigene Dämonen mit sich trägt. 

Die hochwertige Optik wird von einer Geschichte getragen, die alles beinhaltet, was meiner Meinung nach die Figur Batman ausmacht. Es gibt eine detektivische Handlung, in der Morde aufgeklärt werden müssen. Es gibt einen kleinen Actionanteil, der nicht zwingend notwendig ist und STUMME SCHREIE beinhaltet die intensive Auseinandersetzung mit seinen Hauptcharakteren.

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Manchmal erhält die interessierte Leserschaft einen Einblick in die Hilflosigkeit des dunklen Ritters. Ein anderes Mal werden tiefgreifende Verfehlungen seines Partners ungeschönt illustriert. Diese bedrückenden Details in der Charakterzeichnung sind spannend und schockierend und damit zu Recht unter dem Black Label veröffentlicht worden. Inwieweit eigene Gewalterfahrungen das Ausüben von Gewalt rechtfertigen, ist nicht verhandelbar: Es rechtfertigt nichts.

Die Illustrationen von Hampton sind überragend. Es gibt eine Menge an ikonischen und herausragenden Batman-Darstellungen. Hampton weiß wie er Batman anständig optisch mystifiziert. Dieselbe Sorgfalt lässt er auch allen anderen Figuren zuteilwerden und punktet besonders bei der stoischen Darstellung von Gordon. Es ist fantastisch!

©DC Comics

Allerdings sorgt die Druckqualität von Panini des Öfteren für Unkenntlichkeit. Das Schwarz ist zu kräftig und übertüncht die feinen Nuancen der Farbgebung. Und das schlägt sich leider auf die beabsichtigte Wirkung des Artworks nieder. Damit kann STUMME SCHREIE leider nicht mit REPTIL mithalten, auch wenn es mit genügend Licht immer noch extrem gut aussieht und einen klareren Stil verfolgt.

Prävention und Aufklärung sind bedeutsame Werkzeuge, um Missbrauchsfälle aufzudecken oder sie zu verhindern. Dieser Comic trägt seinen Teil dazu bei und verbindet diese Aufgabe geschickt mit der Figur Batman.

STUMME SCHREIE ist ein düsteres Werk, welches tief erschüttert und zum Nachdenken anregt. Archie Goodwin gelingt es, die erschütternde Thematik auf eine Weise zu erzählen, die in ihrer Intensität und Ernsthaftigkeit selten im Comicbereich zu finden ist. Die Illustrationen von Scott Hampton tragen zur bedrückenden Atmosphäre bei, auch wenn die Druckqualität von Panini gelegentlich die Feinheiten der Zeichnungen mindert.

Dieser Comic ist ein Stück weit sogar notwendig. Er fordert uns heraus, über das Unaussprechliche zu sprechen und konfrontiert uns mit den dunklen Schatten der Gesellschaft, die oft im Verborgenen bleiben. STUMME SCHREIE richtet sich an Erwachsene mit einer klaren Botschaft und  einer emotionalen Tiefe, die lange nachhallt.

©DC Comics

Dieser alte Comic ist spannend, tiefgründig, aber auch sehr unangenehm. Nicht nur weil er sich getraut hat, ein so sensibles Thema zu behandeln, sondern weil er es so unfassbar gut macht. Meiner Meinung nach kann das Artwork nicht mit den Zeichnungen von Liam Sharp mithalten, aber das muss es ja auch nicht. Denn hier bekommt man Kunst und Gesellschaftskritik in nahbarer Form in einer exzellenten Qualität. Es gäbe viel zu diskutieren, aber das machen wir, wenn ihr dieses stille Meisterwerk gelesen habt. Von mir gibt es 4½ von 5 Bat-Heads und eine absolute Kaufempfehlung! Zu haben ist das Ganze im imposanten Großformat bei Panini Comics Deutschland oder dem Comicladen eures Vertrauens.


4½ von 5 Bat-Heads

N.I.N.A. e.V.
www.hilfe-telefon-missbrauch.online
0800 2255 530

NUMMER GEGEN KUMMER
www.nummergegenkummer.de
0800 1110 550

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“You wanna get nuts? Come on! Let’s get nuts!” – Bruce Wayne (1989) / Lego Batman (2017) / Batman (2023)

9 Kommentare

  1. Kyodai Ken sagt:

    Wurde die Geschichte schon mal in der deutschen Sprache veröffentlicht? Ich erinnere mich daran, dass ich das Thema in Bezug auf Batman, schon mal in einem Comic gelesen habe.

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  2. Avatar-Foto Bernd sagt:

    Würde sich denn ein Neukauf rentieren? Ich habe noch den Carlsen Band, aber als Hardcover könnte ich mir den Band auch gut im Regal vorstellen. Und hatte Carlsen die „Bildqualität“ besser im Griff als Panini oder fällt sie ähnlich zugesuppt aus?

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  3. Kyodai Ken sagt:

    Vielen Dank, ich habe die Carlsen Version in meiner Sammlung gefunden. Mist, denn ich habe die neue schon bestellt, weil ich nicht wusste, dass ich die Geschichte schon habe! 😩 Ich dachte als „Black Label“ erscheinen nur neue Geschichten…

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    • Avatar-Foto Visual Noise sagt:

      Dann kannst du ja aber gern mal die Druckqualität direkt vergleichen und uns deinen Eindruck schildern. Zudem ist das Hardcover-Großformat wirklich noch ne ganz andere Schönheit in der Sammlung. ☝️😌

  4. Kyodai Ken sagt:

    Ich habe den aktuellen Comic jetzt geschickt bekommen, leider nicht mehr stornieren können, weil ich ja die gleiche Geschichte Zuhause habe. Die Bilder sehen in beiden Bänden sehr dunkel aus, das ist der Stil und so gewünscht. Ich finde es sehr passend und nicht störend. Mir ist auch eingefallen, durch das Vorwort in diesem Band, welche Geschichte ich mit Bezug auf Kindesmissbrauch im Kopf hatte. Es war „Das Geschäft des Bösen“ von Carlsen Comics 1997. Diese Geschichte fand ich damals total eindrücklich und hatte sie bis heute immer noch im Kopf. Ich empfand es als noch schwerere Kost, als Stumme Schreie, aber ich müsste es mal wieder lesen, ist sehr lange her…

    • Avatar-Foto Visual Noise sagt:

      DAS GESCHÄFT DES BÖSEN könnte auch mal wieder neu aufgelegt werden. Dort wurden die organisierten Systeme auch nochmal ganz anders behandelt und haben daraus ein lukratives Geschäftsmodell gemacht.

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